Noch sind ungeregelte Verteilnetze weltweiter Standard. Doch sowohl in Schwellenländern als auch in den industriellen Zentren zeigen sich die Nachteile jeden Tag. Die Zukunft gehört den geregelten Verteiltransformatoren.
Jeden Tag steht es auf der Kippe: Bleibt die Spannung stabil? Oder ist heute der Tag, an dem es passiert? Netzbetreiber, industrielle Abnehmer, Energieversorger und Hersteller von Transformatoren weltweit kennen diese Sorgen: Sie alle stehen vor der Herausforderung, die Spannung in den fragil ausbalancierten Mittel- und Niederspannungsnetzen stabil zu halten und ein optimales Spannungsband zu sichern — heute und in Zukunft. Die Frage, um die es sich immer dreht: Welche Rolle spielen dabei Verteilnetztransformatoren?
Alle wollen ein stabiles Spannungsband, das ist klar. Aber die Ursachen von Spannungsproblemen unterscheiden sich von Land zu Land zum Teil grundlegend: Auf der einen Seite kämpfen Versorger vor allem in den hoch entwickelten Industrienationen mit der Integration erneuerbarer Energien. Auf der anderen Seite stehen in vielen wirtschaftlich schwächeren Ländern Netze mit knapp bemessener Kurzschlussleistung, langen Übertragungsstrecken und volatilen Verbrauchern und Erzeugern.
KONTROLLE ÜBER DIE SPANNUNG
Jorge Leiva, der beim argentinischen Transformatorenhersteller TTE in Córdoba für Forschung und Entwicklung zuständig ist, ermittelt deshalb zurzeit, wie sich die Integration des neuen Laststufenschalters ECOTAP VPD der Maschinenfabrik Reinhausen (MR) auf das Design der Verteiltransformatoren auswirkt. Dazu arbeitet er gemeinsam mit seinem Kollegen Pablo Arrascaeta und einem Team von Ingenieuren an der Entwicklung eines Prototypen.
„Mit RONTs bekommen wir volatile Versorgung, Lastschwankungen und Einspeisungen dezentraler Erzeuger in den Griff.“ Jorge Leiva, TTE, Buenos Aires
In dem südamerikanischen Flächenstaat steigt der Energieverbrauch kontinuierlich, aber die Betreiber hinken mit dem Ausbau ihrer Netze deutlich hinterher. Die Folge sind hohe Spannungsschwankungen, die regelmäßig zu Schäden an Geräten und in Produktionsprozessen führen. TTE-Entwickler Leiva erklärt: „Weil wir selbst unter der volatilen Spannung leiden, werden wir mit dem Prototypen unsere Prüffelder für die hier produzierten Transformatoren mit stabiler Spannung versorgen. Unseren Kunden können wir damit neben einem geregelten Transformator auch zuverlässige Prüfungen demonstrieren.“ Franco Pizzutto, Business Development Manager bei der MR, sieht in der Absicherung industrieller Prozesse ein Einsatzgebiet mit großem Potenzial: „Von geregelten Verteilnetztransformatoren mit ECOTAP VPD können alle profitieren, die ein eigenes Verteilnetz betreiben und sensible Prozesse mit volatiler Mittelspannung steuern müssen, zum Beispiel Industrieunternehmen oder Krankenhäuser.“
Zwar spielen regenerative Energien wie Solarstrom oder Windparks in Argentinien noch eine untergeordnete Rolle, doch kommen bereits wichtige Wachstumsimpulse vonseiten des Energieministeriums. Die beziehen sich in erster Linie auf Parks über der Zehn-Megawatt-Klasse. TTE-Entwickler Leiva rechnet jedoch mit neuen Netzanschlussrichtlinien, die auch die Anbindung dezentraler Erzeuger kleinerer Leistung ermöglichen. „In einem solchen Umfeld können geregelte Verteiltransformatoren ihre ganze Stärke ausspielen und das Problem aus volatiler Versorgung, Lastschwankungen und Einspeisungen dezentraler Erzeuger in den Griff bekommen.“
DAS ENDE DER EINBAHNSTRASSE
Anders die Situation in den hoch entwickelten Industrienationen. Die sind in Sachen regenerativer Energien schon einen Schritt weiter. Die Herausforderung für die Verteilnetze geht dabei weniger von den großen Wind- und Solarparks aus, wie sie beispielsweise in Spanien zu finden sind. Denn diese geben die gewonnene Energie direkt an die Hochspannungsnetze ab. Vor allem kleine und kleinste dezentrale Einspeiser auf der Mittel- und Niederspannungsebene machen Versorgern zu schaffen, weil die Verteilnetze als reine Einbahnstraße konzipiert wurden. In Deutschland herrscht hier mittlerweile aber reger Gegenverkehr. Denn der deutsche Gesetzgeber will bis spätestens 2050 mindestens 80 Prozent der Stromversorgung aus erneuerbaren Energien bestreiten.
Üppige Fördermittel sorgten in den vergangenen Jahren für einen Boom bei Windkraft‑, Biogas- und Photovoltaikanlagen (PV) – mit beeindruckenden Zahlen: So liefern über 1,5 Millionen Solaranlagen heute bereits mehr als sechs Prozent des in Deutschland benötigten Stroms – mit steigender Tendenz. Über 98 Prozent der Solarstromanlagen sind nach Angaben des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme dort in der Fläche an das dezentrale Niederspannungsnetz angeschlossen. An sonnigen Tagen wird in vielen Regionen mehr Strom erzeugt als verbraucht. Der Lastfluss dreht sich und die erzeugungsbedingte Rückspeisung erreicht zeitweise ein Vielfaches der ursprünglichen Bezugsleistung. Die Netze kommen an ihre Aufnahmegrenzen, Spannungsschwankungen sind die Folge.
Flächenversorger wie beispielsweise die zum EON-Konzern zählende Avacon AG und die Bayernwerk AG müssen jedoch ein Spannungsband von plus / minus zehn Prozent garantieren und gleichzeitig immer wieder weitere regenerative Anbieter anschließen. Franco Pizzutto bringt hier den RONT (Regelbarer Ortsnetztransformator) ins Spiel: „Seit 2008 erforschen wir gemeinsam mit Transformatorenherstellern und Netzbetreibern, wie die Einhaltung des Spannungsbandes mithilfe des RONT unterstützt werden kann. Ebenfalls hatten wir die Optimierung der Netztopologien im Fokus und wie sich Kosten für aufwendige Netzerweiterungsmaßnahmen verringern oder vermeiden lassen.“
SONNE ÜBER BAYERN
Vom PV-Boom besonders betroffen ist der größte regionale Netzbetreiber Bayerns, die Bayernwerk AG. Bis zu 5.600 Megawatt Leistung aus Sonnenstrom von über 255.000 Erzeugern müssen die Bayern an sonnenreichen Tagen aufnehmen und über die Nieder‑, Mittel- und Hochspannungsnetze vom Land in die Städte und andere Lastschwerpunkte transportieren. Elektroingenieur Sebastian Schmidt ist bei Bayerns größtem Flächenversorger mit Forschungs- und Entwicklungsaufgaben betraut und erklärt: „Wir müssen solche Entwicklungen antizipieren. Da ein klassischer Netzausbau mit neuen Kabeln und zusätzlichen Trafostationen eine Entscheidung für Jahrzehnte darstellt und entsprechend kosten- und arbeitsintensiv ist, suchen wir stets nach alternativen Möglichkeiten zur Optimierung unserer Netze.“
„Wir sind immer auf der Suche nach Alternativen, um unsere Netze zu verbessern.“ Sebastian Schmidt, Bayernwerk AG, Bamberg
Eine Suche, die die Bayernwerke geradewegs zu MR führte. Schmidt ergänzt: „MR war bereits als ein verlässlicher Partner für den Bereich Stufenschalter für Hoch- und Mittelspannung etabliert, die vor allem in den von Einspeisung geprägten Mittelspannungsnetzen eine dynamische Anpassung des Spannungsniveaus ermöglichten. Gemeinsam haben wir uns im Rahmen konzernübergreifender Forschungsprojekte intensiv mit der Entwicklung, Standardisierung und dem Einsatz geregelter Transformatoren für Verteilnetze befasst.“
ZUSÄTZLICHE BANDBREITEN
Führend an der Entwicklung beteiligt war die Bayernwerk-Konzernschwester Avacon AG. Der in Deutschlands Norden beheimatete deutsche Flächenversorger, der zu den größten regionalen Energiedienstleistern Deutschlands zählt, hat es neben der Einspeisung von Solarstrom vor allem mit Windenergie und Biomasseanlagen zu tun. Stefan Henssen aus dem Bereich Verteilnetztechnik berichtet von zusätzlichen Problemen: „Viele Windparks speisen direkt in die Mittelspannungsnetze ein, gleichzeitig werden die Verteilnetze immer volatiler. Somit müssen wir eine schwankende Versorgungsspannung in den Griff bekommen. Eine Aufgabe, für die der RONT prädestiniert ist, da er die Mittel- von der Niederspannung entkoppelt und zusätzliche Bandbreiten schafft.“
„Mit dem RONT stabilisieren wir eine schwankende Versorgungsspannung.“ Stefan Henssen, Avacon AG, Salzgitter
Bei allen Maßnahmen zur Netzoptimierung stehen neben technischen Parametern vor allem Investitions- und Betriebskosten im Fokus der Netzplaner. Avacon-Techniker Henssen dazu: „Um ungeregelte durch geregelte Transformatoren ersetzt zu können, haben wir bei dem Schalter besonderen Wert auf Langlebigkeit und geringe Wartungskosten gelegt. Zudem durfte sich der Footprint des Transformators nicht ändern, das heißt, der RONT muss für einen kostengünstigen Austausch in die bestehenden Stationen für ungeregelte Transformatoren passen.“ (Mehr hierüber erfahren Sie im Interview mit dem Transformatorenbauer SBG) Bayernwerk-Techniker Schmidt ergänzt: „Wichtig war uns außerdem, dass der Schalter keine zusätzlichen Verluste in den Transformator einbringt.“
DER NEUE STANDARD
Die Avacon experimentierte intensiv mit den unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten des RONT innerhalb der Verteilnetze: Vom punktuellen bis zum flächendeckenden Einsatz wurden die Auswirkungen auf Netzstabilität erforscht. Bayernwerk-Entwickler Schmidt ergänzt: „Am meisten Einfluss hat der RONT im punktuellen Einsatz auf das nachgelagerte Niederspannungsnetz. In größerer Zahl strangweise oder flächendeckend eingesetzt, kann der RONT zusätzlich einen positiven Effekt auf das Mittelspannungsnetz bieten.“
REINHAUSEN INSIDE
Geregelte Verteilnetztransformatoren halten die Spannung in Verteilnetzen stabil, gleichen Schwankungen in der Mittelspannung aus und reagieren auf Einspeise- und Lastveränderungen auf der Niederspannungsseite.
Der ECOTAP VPD macht aus starren Verteiltransformatoren intelligente Regeltransformatoren. Die wichtigsten Merkmale des neuen Schalters:
- wartungsfrei bis 500.000 Schaltungen durch Vakuumtechnolgie
- kompaktester Schalter weltweit
- geeignet für synthetische und natürliche Esther als Isolierflüssigkeit
- großer Regelbereich bei feiner Abstufung
Die jahrelange Forschungs- und Entwicklungsarbeit hat sich gelohnt: RONTs mit ECOTAP VPD sind heute im gesamten EON-Konzern als ein Standardbetriebsmittel verfügbar. Den regionalen Netzplanern stehen diese nun als ein wichtiger Baustein im Portfolio zur Netzoptimierung zur Verfügung. Und so rechnen Henssen und Schmidt in den nächsten Jahren mit einem kontinuierlichem Wachstum der installierten Basis. Auch MR-Ingenieur Pizzutto ist überzeugt davon, dass der RONT eine zunehmend wichtige Rolle spielen wird. Als einen weiteren Treiber zum Ausbau der Netze mit Regelungstechnik sieht er neuartige Lasten: „Die Wende zur Elektromobilität zeichnet sich ab. Wenn die Menschen künftig nach Feierabend zu Hause alle ihre Elektromobile gleichzeitig laden, werden viele Netze in die Knie gehen, die bis dahin noch keine Regelungstechnik vorweisen.“
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f.pizzutto@reinhausen.com