Systeme und Sensoren, die KI-unterstützte Software nutzen, erhöhen die Lebensdauer und Betriebssicherheit vernetzter Assets. Das geht nicht ohne die zugehörige Cybersicherheit. Im Idealfall werden ganzheitliche Systeme auf drei zentralen Ebenen platziert. Und das geht schon heute.
Energienetzbetreiber und Asset Manager müssen bereits heute den wachsenden Verlust an personellem Wissen und den steigenden Wartungsbedarf alternder Betriebsmittel kompensieren. Gleichzeitig steigen die Herausforderungen und Belastungen:
Der dringende Netzausbau, die Einspeisung erneuerbarer Energien und die Dezentralisierung der Energieversorgung bei immer höheren Energiebedarfen scheinen kaum zu bewältigen. Eine Schlüsselrolle kommt deshalb neuen Technologien zu, die bei der Überwachung und Diagnose der Assets unterstützen. Solch intelligente datengestützte Systeme ermöglichen es, die vorhandene Infrastruktur effizienter zu nutzen und ihre Lebensdauer zu verlängern. Das perfekte Zusammenspiel aller Automatisierungsebenen ist dafür entscheidend: vom Sensor zum Datenknoten am Trafo bis zur globalen Ebene im Asset Management.
Das ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern heute schon möglich. Das erklärt Tobias Gruber. Er ist Produktmanager und in der Entwicklung für Algorithmen und mathematischen Trainingsmethoden involviert. „Ein großes Portfolio dazulernender Sensoren und Systeme bietet Reinhausen bereits an. Und ihr Können vergrößert sich laufend, durch die Vernetzung untereinander und ihre stetig wachsende Lernkurve.“ Die Digitalisierung der Assets ist aus genannten Gründen ein notwendiger Schritt. Dieser Transformationsprozess aber, das selbstständige Weiterentwickeln der Systeme selbst, wird in allen Branchen Veränderungen bewirken und auch Vorteile bringen, die heute noch nicht vorstellbar sind. Dass KI aber nicht mehr wegzudenken ist, liegt auf der Hand; darum ergibt es Sinn, die Energiebranche auf allen Ebenen damit zu unterstützen.
„Ein großes Portfolio dazulernender Sensoren und Systeme bietet Reinhausen bereits an. Und ihr Können vergrößert sich laufend.“
Tobias Gruber, Maschinenfabrik Reinhausen
Auf der Prozessebene erfassen unterschiedliche Sensoren zahlreiche Signale – zuverlässig und präzise – direkt am Transformator und leiten sie an einen zentralen Kommunikationsknoten in der Feldebene zur Zusammenführung weiter. So stehen belastbare Informationen über den
Wartungs- und Gesundheitszustand der jeweiligen Trafos zur Verfügung. In der Leitebene kommen diese Auswertungen zusammen. Dort können dann Wartungsstrategien für die gesamte Flotte eruiert werden. Das funktioniert aber nur, wenn die Sensorik modular erweiterbar und herstellerunabhängig funktioniert, um auf künftige Bedürfnisse in der Flottenwartung und ‑erneuerung agil reagieren zu können. Und: Bei einem so hohen Datenaustausch zwischen den Ebenen kommt der Cybersicherheit eine besondere Bedeutung zu.
Hinter dem Begriff Cybersicherheit verbirgt sich dabei noch mehr als der Schutz vor Hackerangriffen.
Was genau, das erzählt Sicherheitsexperte Dr. Hubert Feyrer im Interview.
INTELLIGENTE SENSORIK
Sensoren sammeln Informationen – so viel ist klar. Schlaue Sensoren können sie auch noch bewerten. Aber was bedeutet das ganz konkret? Welche Daten können mittels Maschinenlernen besser ausgewertet werden als mit den bisherigen Methoden? Eine wichtige regelmäßige Maßnahme ist beispielsweise die Analyse des Isolieröls in der Gasphase (DGA – dissolved gas analysis). Bei allen üblichen Analysemethoden wird das Gas extrahiert, was es jedes Mal erneut schwankenden äußeren Faktoren aussetzt wie der Umgebungstemperatur, dem Luftdruck, der Luftfeuchte und vielem mehr. Sicherzustellen, dass diese Werte für die Messung immer konstant bleiben, würde Unsummen verschlingen und die Komplexität des DGA-Systems deutlich erhöhen.
Hier kommt die künstliche Intelligenz ins Spiel. Über Trainingsdatensätze lernt der Algorithmus im schlauen DGA-System die Zusammenhänge zwischen der Gaskonzentration im Isolieröl, dem Sensorsignal und den möglichen Störeinflüssen kennen. Mithilfe von mathematisch-statistischen Methoden aus dem Werkzeugkasten des maschinellen Lernens wird der DGA-Sensor in seiner Entwicklungsphase also „ausgebildet“. Die neue intelligente Fachkraft wird anschließend am Trafo installiert und weiß sofort, was zu tun ist. „Mit der Laboranalyse des Öls als Referenzpunkt lernt der DGA-Sensor dann auch seinen Transformator kennen und rekalibriert sich laufend selbst“, erklärt Gruber. „Auf diese Weise können Effekte wie Sensordrift, Alterung des Isolieröls und Ähnliches kompensiert und eine gleichbleibende Messwiederholbarkeit gewährleistet werden.“
Die Gasanalyse für Stufenschalter sieht hier schon etwas schwieriger aus, da im Gegensatz zum Transformator weniger Datensätze zu Gasbildungsraten und typischen Gaskonzentrationen erarbeitet wurden. „Die Analyse von Stufenschaltern erfordert viel Expertenwissen über die Funktionsweise des jeweiligen Stufenschaltertyps und dessen Betriebsweise“, erzählt Gruber. Deshalb kommt es nicht nur auf die Analyse der Schlüsselgase an: Statistischmathematische Algorithmen nutzen einen deutlich breiteren Datensatz. Als Eingangsgrößen werden neben den Gaskonzentrationen auch Informationen über den Stufenschalter verwendet, wie beispielsweise die Anzahl der Schaltvorgänge, die Ölmenge oder die Zeit seit dem letzten Ölwechsel. Als Ergebnis erhält man eine Diagnose mit Angabe der Wahrscheinlichkeit, die der reinen Gasanalyse weit voraus ist.
„Die Analyse von Stufenschaltern erfordert viel Expertenwissen über die Funktionsweise des jeweiligen Stufenschaltertyps und dessen Betriebsweise“
Tobias Gruber, Maschinenfabrik Reinhausen
Um Stufenschaltern noch umfassender auf den Zahn zu fühlen, gibt es MSENSE® VAM®, das Online-Diagnosetool, das eine vibroakustische Messung durchführt, indem es Schwingungen erfasst, die während des Schaltvorgangs eines Laststufenschalters auftreten. Der zugehörige Algorithmus stellt den Schaltvorgang in einer Grenzwertkurve dar, die mit jeder Schaltung präziser berechnet wird. So lernt das System iterativ während der Schaltvorgänge, wie die akustische Signatur eines korrekt arbeitenden Laststufenschalters aussieht. „Und das funktioniert überall“, erklärt Gruber, „sowohl bei neuen als auch bei bestehenden Laststufenschaltern aller Hersteller und Bauarten.“
Was niemand in seinem Trafo finden möchte: Feuchtigkeit. Neben vielen möglichen Prüfstellen gibt vor allem die Durchschlagsspannung des Isolieröls konkrete Hinweise auf eine mögliche Verschmutzung. Die von aktuellen Normen vorgeschlagenen Methoden zur Analyse dieser Spannung sind aber umständlich und teuer. Auch hier ist die Online-Überwachung durch mitlernende Algorithmen besser: Sie erlernen den Zusammenhang zwischen relativer Ölfeuchte, Öltemperatur und Durchschlagsspannung. Dabei werden die Daten für die Durchschlagsspannung bei verschiedenen Öltemperaturen und ‑feuchten experimentell mit einer Referenzmethode, z. B. IEC 60156, ermittelt. Mit diesen Daten wird ein mathematisches Modell trainiert. Das Modell wird anhand von Testdaten, die von den Trainingsdaten unabhängig sind, validiert und optimiert – wieder steht eine ausgebildete künstliche Fachkraft zur Seite und erkennt verlässlich, wo sich Probleme anbahnen könnten.
2. INTELLIGENTE DATENAUSWERTUNG
Überwachungssysteme an Leistungstransformatoren spielen vor allem in Bezug auf eine stabile Fehlererkennung bereits eine große Rolle. Damit alleine ist es aber nicht getan. Die laufend gemeldeten Informationen und Daten müssen auch ausgewertet und in Bezug zueinander interpretiert werden. Und das für jeden Transformator. Keine leichte Aufgabe. Vor allem, wenn mehrere Sensoren dieselbe Funktion beherrschen. „Wenn zum Beispiel Temperatur‑, Teilentladungs- und DGA-Sensoren alle in der Lage sind, Wicklungsfehler zu erkennen, werden ihre Aussagen nicht miteinander verglichen. So kann es zu widersprüchlichen Aussagen kommen und eine einfache Diagnose ist nicht möglich“, erklärt Tobias Gruber.
Darum werden im ETOS® alle Sensoren integriert und von den selbstlernenden Algorithmen der ISM®-Recheneinheit im ETOS® bewertet. „Ein Bayes’sches Netz prüft, welche Fehlermuster am besten zu den aufgetretenen und nicht aufgetretenen Warnmeldungen passen. Zusätzlich werden die A‑priori-Wahrscheinlichkeiten für typische Transformatorfehler sowie die Zuverlässigkeit der Sensoren berücksichtigt.“ Das Ergebnis ist eine Wahrscheinlichkeitsschätzung für alle bekannten Transformatorprobleme, wobei dem Kunden die wahrscheinlichsten Probleme zusammen mit einer Liste von Gründen für die Feststellungen angezeigt werden. Dies ermöglicht der Fachkraft eine vereinfachte und effiziente Interpretation der Diagnoseergebnisse. „Das Bayes’sche Netz Asset Intelligence für Leistungstransformatoren bietet einen Leitfaden, um Risiken zu minimieren und schnell Abhilfemaßnahmen zu ergreifen“, so Gruber.
3. Intelligentes Flottenmanagement
Die meisten Transformatorenflotten bestehen derzeit aus verschiedenen Varianten, die von unterschiedlichen Lieferanten stammen und sich in Alter sowie Ausstattung unterscheiden. Das Asset Management muss ihnen allen gerecht werden. Das geht am besten mit einer zentralen Lösung, die alle Online- und Offline-Daten nutzt und auswertet – von den Sensordaten bis zu von Hand eingegebenen Messwerten nach einer Inspektion vor Ort. Reinhausen hat dafür TESSA® APM® entwickelt. Die Software hinter der Plattform wertet die Daten aus, erkennt Trends und gibt selbstständig Handlungsempfehlungen aus. Dabei lernt die intelligente Software umso mehr mit, je länger sie im Betrieb ist und ihre verbundenen Assets „kennenlernt“. Denn irgendwann fehlt die entsprechende Fachkraft und es ist TESSA® APM®, das beispielsweise sagt: „Schaut mal bei Trafo 5A vorbei, der ist immer ein bisschen empfindlich beim Öl.“
Dadurch, dass die Software alle Daten vereint, remote nutzbar ist und selbstständig bei Störungen auch prophylaktisch warnt, spart sie dem Asset Management wertvolle Zeit und springt zudem in die personelle Versorgungslücke ein. Ein Dreiklang aus intelligenter Sensorik auf der Prozessebene, Datenauswertung in der Feldebene am Transformator und Flottenmanagement in der Leitungsebene bereitet also Netzbetreiber und OEMs auf die Herausforderungen von heute und morgen vor.
IHR ANSPRECHPARTNER
Haben Sie Fragen zu den KI-Lösungen von MR?
Tobias Gruber ist für Sie da:
T.Gruber@reinhausen.com