Vor 100 Jahren ermöglichte die Erfindung des Widerstandsschnellschalters durch Dr.-Ing. Bernhard Jansen erstmals das Schalten unter Last von Transformatoren. Reinhausen hat diese bahnbrechende Erfindung unter der Marke MR in die Weltmärkte getragen und hat damit die Energiebranche, wie wir sie heute kennen, mit einer flächendeckenden spannungsstabilen Stromversorgung mit ermöglicht. Im Gespräch erklären uns die Geschäftsführer Dr. Nicolas Maier-Scheubeck, Holger Michalka und Wilfried Breuer, wie dieses Erbe noch bis weit in die Zukunft wirkt.

Herr Dr. Maier-Scheubeck, Herr Michalka, Herr Breuer, Reinhausen feiert 2026 den hundertsten Geburtstag des Widerstandsschnellschalters. Wie blicken Sie persönlich auf dieses Jubiläum?
Scheubeck: Für mich bedeutet das Jubiläum Aufbruch nach vorne – vom Produkt zur Lösung. Seit seiner Erfindung hat sich der Widerstandsschnellschalter auf allen Spannungsebenen durchgesetzt und ist zu einem Garanten für Versorgungssicherheit geworden. Elektrizität hat sich in dieser Zeit zu einem Wohlstandsfaktor entwickelt. Eine Entwicklung, die unser Unternehmen wesentlich mitgestaltet hat. Das wollen wir im Jubiläumsjahr noch stärker bewusst machen. Unsere Botschaft für Mitarbeiter, Kunden und Partner ist: Wir dienen den Menschen, indem wir mit unseren Innovationen auch in Zukunft eine störungsfreie, wirtschaftliche und nachhaltige Versorgung mit Elektrizität gewährleisten.
Michalka: Die Erfindung des Widerstandsschnellschalters war eine Revolution und ist bis heute das Fundament unseres Erfolgs. Mich fasziniert vor allem der Pioniergeist von damals – und dass er in unserem Unternehmen weiterlebt. Qualität, Innovation und Kundennähe sind für uns Anspruch und Ansporn zugleich.
„Unser Anspruch ist echte Innovation — damit meinen wir keine kleinen Veränderungen, sondern Lösungen, die der Markt noch gar nicht kennt.“
Dr. Nicolas Maier-Scheubeck

Breuer: Ich sehe den Stufenschalter eher mit den Augen des Ingenieurs. Er ist eine bahnbrechende Erfindung, vergleichbar mit dem ersten Motorwagen von Carl Benz oder der Glühbirne von Thomas Alva Edison. Er ist zwar nicht so präsent, weil er unsichtbar im Transformator verbaut ist, für unsere Branche war der Widerstandsschnellschalter jedoch ebenso prägend. Die 100 Jahre seiner Erfolgsgeschichte beweisen: Diese Erfindung war enorm bedeutend und dadurch zukunftsfähig.
Eine bahnbrechende Erfindung zu machen ist das eine, aber wie stellt man als Unternehmen sicher, dass der Erfolg auch nachhaltig bleibt? Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Scheubeck: Ein ganz wesentlicher Faktor ist, dass wir ein Familienunternehmen in der sechsten Generation sind. Wären wir an der Börse notiert, könnten wir das, was wir seit Jahrzehnten für die Branche leisten, so nicht umsetzen. Unsere Unabhängigkeit erlaubt uns, an Lösungen festzuhalten, auch wenn sie zunächst nicht wirtschaftlich erscheinen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Vor über acht Jahren haben wir mit dem ECOTAP® VPD® einen Schalter für die unterste Spannungsebene eingeführt und zuvor Studien zur Netzentwicklung betrieben. Damals hat noch niemand über geregelte Verteiltransformatoren nachgedacht. Heute hat er sich bereits zu einem Standard im Verteilnetz entwickelt. Wir haben einen längeren Atem, und genau das macht den Unterschied.
Breuer: Das kann ich nur bestätigen. Aus Kundensicht spielt Vertrauen eine große Rolle. Unsere Partner sagen uns oft: Ihr seid ein verlässlicher Fels in der Brandung. Während andere ihre Strukturen ändern, bleiben wir stabil und langfristig ausgerichtet. Und intern spüre ich, dass die Leidenschaft hier außergewöhnlich ist – die Extrameile gehört nicht zu den Ausnahmen, sondern zum Standard. Das hängt stark mit unserer Familientradition zusammen.
Michalka: Und für die Mitarbeiter bedeutet es, dass wir dem Erfolg eine faire Chance geben können. Wir haben die Freiheit, an eine Technologie oder eine Applikation zu glauben – und sie auch dann weiterzuverfolgen, wenn andere längst aufgegeben hätten. Diese Unabhängigkeit ist ein echter Antrieb für uns alle und das langfristige Denken dazu tief in unseren Werten verankert. Das ist die Basis unserer Innovationskraft.
Innovationen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Unternehmensgeschichte von Reinhausen. Was verstehen Sie unter Innovation?
Scheubeck: Unser Anspruch ist es, Lösungen zu schaffen, die so substanziell neu sind wie damals die Erfindung von Dr. Jansen. Dieses Innovationsverständnis ist Teil unserer Werte. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Faktor Zeit. Und in diesem Punkt unterscheiden wir uns ganz wesentlich von anderen Unternehmen, die auf kurzfristige Erfolge durch einfache Entwicklungen mit geringem Neuigkeitswert oder gar auf Nachahmung setzen. Wir nehmen uns die Zeit, wirklich Neues zu schaffen.

Michalka: Für uns gehört der Mut zur „konstruktiven Selbstzerstörung“ immer dazu. Wir ruhen uns nicht auf Erfolgen aus, sondern stellen uns selbst so lange infrage, bis wir eine bessere Lösung gefunden haben. Nur so bleibt man Marktführer.
Was sind denn die neuesten Produkte, die aus diesem Geist entstanden sind?
Breuer: Ganz klar der neue VACUTAP® VI. Mit diesem Schalter setzen wir das Prinzip des Widerstandsschnellschalters minimalistisch um. Wir konnten den Materialbedarf halbieren und damit Flexibilität in der Produktion schaffen. Er wurde speziell für den Netzanschluss von Erneuerbaren entwickelt. Dort, wo Wirtschaftlichkeit entscheidend ist, aber auch Nachhaltigkeit und unverändert hohe Zuverlässigkeit eine immer größere Rolle spielen.
Michalka: Den VACUTAP® VI haben wir dazu konsequent vom Kunden aus neu gedacht – und genau darin steckt eine kleine Revolution. Weniger Material bedeutet geringeren CO²-Fußabdruck – in der Produktion wie in der gesamten Wertschöpfungskette bis hin zur späteren Wiederverwertung. Und trotzdem bleibt der Qualitätsanspruch hoch.
Die Energiewende stellt die Branche weltweit vor enorme Herausforderungen. Die Netze werden umgebaut. Die Infrastruktur wird komplexer und ist nur noch mithilfe der Digitalisierung und KI beherrschbar. Wie ist Reinhausen darauf vorbereitet?
Breuer: Wir sind seit 100 Jahren Marktführer beim Stufenschalter – und das wollen wir bleiben. Fast Follower können kopieren, aber wir müssen uns immer wieder neu erfinden. Wir wollen auch in Zukunft die Entwicklung in den Märkten richtig vorhersehen. Diese verläuft regional immer unterschiedlicher: China ist wie ein eigener Kontinent, in Südostasien wächst die Industrialisierung, die USA grenzen sich politisch ab. Unsere Antwort darauf lautet: lokale Präsenz.
Weil Kundennähe Teil unserer Werte ist, sind wir darauf mit aktuell 44 Beteiligungsgesellschaften in 28 Ländern bereits sehr gut vorbereitet. Auch unser Geschäftsfeld Power Quality trägt wesentlich zur Energiewende bei: Windparks und Solaranlagen speisen über Leistungselektronik ein und würden nicht-lineare, störende Einflüsse ins Netz tragen, wenn wir diese nicht herausfilterten. Und mit der Kabelprüftechnik von HIGHVOLT erhöhen wir die Betriebssicherheit und Verfügbarkeit von HGÜ-Strecken mit mehr als 500 Kilovolt, wie beispielsweise bei SüdLink in Deutschland.

„Der Stufenschalter ist eine bahnbrechende Erfindung — vergleichbar mit dem Motorwagen von Carl Benz oder der Glühbirne von Edison.“
Wilfried Breuer
Michalka: Zusammen mit unseren Kunden regeln wir die Energiewende. In unserer Strategie ist das fest verankert. Diese beschreibt, wie wir uns verändern wollen, um die globalen Herausforderungen zu meistern – und bindet unsere Mitarbeiter in allen Regionen der Welt mit ein.
Scheubeck: Wichtig ist, dass wir den Schritt vom Produkt zur Lösung konsequent weiter gehen. Wir verstehen heute nicht nur den Trafo, sondern seine Rolle im gesamten Netz. Und mit unseren Lösungen zur Digitalisierung und zum Asset Performance Management helfen wir unseren Kunden, wirtschaftlicher zu arbeiten und gleichzeitig den Fachkräftemangel zu kompensieren.
Durch den weltweiten Aus- und Umbau der Netze ist die Nachfrage nach Energietechnik enorm. Auch Reinhausen wächst rasant. Wie stellen Sie die Produktion für die Zukunft auf?
Scheubeck: Als Marktführer haben wir als Erster die Welle der gestiegenen Nachfrage abbekommen. Unsere Kapazitäten wurden rasend schnell ausgeschöpft. Deshalb haben wir rasch erweitert und setzen dies konsequent fort – auch regionalisiert, um die Lieferzeiten noch weiter zu verkürzen und Materialverfügbarkeiten abzusichern. Diese Maßnahmen zeigen aus Sicht unserer Kunden bereits die gewünschte Wirkung, und wir stellen dies auch in Zukunft sicher.
Michalka: Dafür haben wir gerade das größte Investitionsprogramm unserer Unternehmensgeschichte gestartet – mit einem dreistelligen Millionenbetrag. Wir verdoppeln beispielsweise die Produktionskapazität in Deutschland und vervierfachen diese in China. Damit werden wir die steigende Nachfrage im Super-Zyklus der globalen Energiewende auch in Zukunft sehr gut bedienen können.
Breuer: Ein Alleinstellungsmerkmal ist außerdem, dass wir selbst jahrzehntealte Schalter warten und deren Lebensdauer nochmals verlängern können. Qualität, Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit bleiben auch in Zeiten von hohem Wachstum unsere Markenzeichen.
Die Energiewende kann man als das weltgrößte Nachhaltigkeitsprojekt betrachten. Was tut Reinhausen selbst für mehr Nachhaltigkeit?
Scheubeck: Unsere Produkte sind auf jahrzehntelange Nutzung und höchste Zuverlässigkeit ausgelegt. Das erschwert den kurzfristigen Materialwechsel, welcher sich zum Beispiel aus veränderten gesetzlichen Vorgaben ergeben kann. Insofern bedeutet Nachhaltigkeit für uns vor allem, in umfassender Verantwortung für Jahrzehnte vorauszudenken.
Breuer: Oft fehlt es an klaren Regeln. Im Rahmen der Produktentwicklung müssen wir heute entscheiden, welche Materialien in zehn und mehr Jahren noch erlaubt sind. Dabei ist die Kurzatmigkeit der Politik eher hinderlich als förderlich. Wir wägen sehr sorgfältig ab zwischen CO²-Reduktion und Recyclingfähigkeit – stets aber unter Gewährleistung eines sicheren Betriebs unserer Produkte.
„Der Widerstandsschnellschalter war eine Revolution — er ist bis heute das Fundament unseres Erfolgs.“
Holger Michalka

Michalka: Für uns als Familienunternehmen war Nachhaltigkeit immer selbstverständlich. Wir gehen sorgsam mit den natürlichen Ressourcen um – von der emissionsarmen Lackieranlage über Photovoltaik bis zu LED-Umrüstungen. Wir übernehmen Verantwortung, nicht weil es Mode ist, sondern weil wir nur diese eine Welt haben.
Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie Reinhausen im Jahr 2030?
Scheubeck: Unsere Wahrnehmung wird bis dahin multiregional sein. Neben physischen Lösungen werden Software, Analyse und Fernwartung eine größere Rolle spielen. Unsere Branche ist nicht innovationsfreudig, sondern sicherheitsbetont. Aber durch die Veränderungen, welche die globale Energiewende mit sich bringt, müssen viele Unternehmen jetzt schneller neue Lösungen adaptieren. Und genau das ist unser Vorteil: Wir haben viele dieser Lösungen schon entwickelt, bevor sie überhaupt nachgefragt wurden. Deshalb gestalten wir den Markt aktiv mit – wir warten nicht ab, bis andere etwas tun, sondern treiben auch 2030 die Entwicklung selbst voran. Unsere Kunden fordern uns künftig noch stärker in Bereichen wie Betriebsführung, Beratung und Fernsteuerung heraus. Außerdem wird erwartet, dass wir noch kompetenter vor Ort präsent sind und andere befähigen, unsere Technik bestmöglich nutzen zu können.
Breuer: Bei aller Globalisierung und Technisierung bleibt unsere tiefe Verwurzelung in Regensburg, als verlässliches bayerisches Familienunternehmen, bestehen.
Michalka: Mit Blick auf den Standort Regensburg sehe ich bis 2030 ein digitales Kundenerlebniszentrum, wo wir in 3D-Simulationen über die Energiezukunft diskutieren. Und an unserem Produktionsstandort in Haslbach eine hochmoderne Fabrik mit kollaborativen Robotern und KI-gesteuerten Prozessen.


