Kampf dem Klima­killer

Um CO2 zu sparen, muss die Rohstoff­in­dus­trie ihre Produk­tion umbauen und ihren gewal­tigen Ener­gie­hunger aus den Strom­netzen stillen. Doch nur gemeinsam können Netz­be­treiber und Indus­trie in Zukunft die Span­nungs­qua­lität sicher­stellen.


Um den Klima­wandel zu bremsen, müssen Versorger, Netz­be­treiber und ‑planer welt­weit massive Anstren­gungen unter­nehmen und fossile Ener­gie­träger durch rege­ne­ra­tive substi­tu­ieren. Je nach Szenario werden die Netze bis zum Jahr 2040 circa 50 Prozent mehr Strom trans­por­tieren müssen, insge­samt zwischen 38.000 und 41.000 Tera­watt­stunden (siehe ONLOAD 07). Die Heraus­for­de­rung Ener­gie­wende ist aller­dings nur zu bewäl­tigen, wenn auch die großen Verbrau­cher mit ihnen an einem Strang ziehen.

22 %

der welt­weiten CO2 ‑Emis­sionen verur­sacht allein die Produk­tion von Stahl (10 %), Alumi­nium (4 %) und Zement (8 %). Soll der Klima­wandel gestoppt werden, muss sich in der Rohstoff­pro­duk­tion drin­gend etwas ändern.

Drei Bran­chen seien von diesem Wandel beson­ders betroffen, meint Netz­spe­zia­list Dr. Stephan Rupp, der bei Rein­hausen für die Geschäfts­ent­wick­lung im Bereich Leis­tungs­elek­tronik zuständig ist und als Professor am Center for Advanced Studies der Dualen Hoch­schule Baden-Würt­tem­berg lehrt: „Bei der ener­gie­in­ten­siven Produk­tion von Stahl, Alumi­nium und Zement werden jähr­lich über acht Milli­arden Tonnen CO2 frei­ge­setzt. Das macht insge­samt einen Anteil von über 22 Prozent an den welt­weiten Emis­sionen aus. Hier wird es in den nächsten Jahren zu massiven Umwäl­zungen kommen, mit dras­ti­schen Auswir­kungen auf die Strom­netze.“

BIS ZU 95 PROZENT WENIGER CO2

Allein die Stahl­pro­duk­tion ist mit 3,5 Milli­arden Tonnen CO2 für rund zehn Prozent der jähr­li­chen Gesamt­emis­sionen verant­wort­lich. „Neben dem Druck, die Reduk­tion der Emis­sionen von Kohlen­di­oxid dras­tisch zu redu­zieren, zwingt die Branche auch noch poten­zi­elle Rohstoff­knapp­heit zum Umdenken“, berichtet Stephan Rupp und ergänzt: „Bliebe die Produk­tion auf dem heutigen Niveau, könnten die welt­weiten Vorräte an Eisenerz in rund 70 Jahren erschöpft sein.“ Denn derzeit werden 70 Prozent des jähr­lich produ­zierten Stahls aus primären Vorräten, also Erz, gewonnen.

BEISPIEL STAHL


CO2 ‑Emis­sionen pro Tonne Stahl nach Prozess­schritten:

  • Vorver­ar­bei­tung des Erzes (Sinter­ma­te­rial, Pellets) und Koks­er­zeu­gung: circa 1,2 Tonnen
  • Eisen­er­zeu­gung: Reduk­tion von Erz (Eisen­oxid) zu Roheisen mithilfe von  Kohlen­stoff: circa 1 Tonne
  • Stahl­er­zeu­gung durch Schmelz­öfen mit Sauer­stoff­ein­bla­sung (vorwie­gend aus Roheisen): circa 0,8 Tonnen
  • Stahl­er­zeu­gung aus Licht­bo­gen­öfen (vorwie­gend aus Altme­tall): circa 0,3 Tonnen

Die Prognosen zeigen aller­dings, dass der Stahl­hunger konti­nu­ier­lich wächst und sich die Situa­tion damit noch verschärft. Die Lösung im Span­nungs­feld von Rohstoff­knapp­heit und einem klima­ver­träg­li­chen Umbau der Produk­ti­ons­me­thoden sieht Rupp im Aufbau von Stoff­kreisläufen und dem gleich­zei­tigen Umbau der Anlagen für die Produk­tion mit höheren Anteilen an Altme­tall — das Ganze natür­lich unter Einsatz erneu­er­barer Ener­gien.

„Je nach verwen­deten Verfahren besteht ein Einspar­po­ten­zial an CO2 ‑Emis­sionen von 40 bis 95 Prozent.“ Dr. Stephan Rupp

Rupp erklärt: „Dazu müssen künftig immer mehr konven­tio­nelle Schmelz­öfen durch Licht­bogenöfen ersetzt werden, die ihren Strom aus erneu­er­baren Ener­gien beziehen. Durch die zuneh­mende Verwen­dung von Altme­tall entfallen auch antei­lige Emis­sionen, die bei der ener­gie­in­ten­siven Gewin­nung von Roheisen aus Erz entstehen. Damit wäre dieser Teil der Produk­ti­ons­kette schon nahezu emis­si­ons­frei. Je nach verwen­deten Verfahren besteht ein Einspar­po­ten­zial an CO2 ‑Emis­sionen von 40 bis 95 Prozent.“

ZEMENTPRODUKTION

Gleich nach der Stahl­in­dus­trie ist die Baubranche einer der größten indus­tri­ellen Verur­sa­cher des Klima­wan­dels. Die welt­weite Produk­tion von Zement beläuft sich derzeit auf jähr­lich über 4,6 Milli­arden Tonnen. Dabei werden etwa drei Milli­arden Tonnen CO2 frei­ge­setzt, was etwa acht Prozent der welt­weiten Emis­sionen entspricht und damit mehr als dem Anteil von Flug­ver­kehr und Rechen­zen­tren zusammen. Um Zement herzu­stellen, müssen Kalk­stein, Sand und Ton in gigan­ti­schen Anlagen gebro­chen und gemahlen und bei mehr als 1.400 Grad gebrannt werden.

8 Milli­arden Tonnen CO2 etwa werden durch die ener­gie­in­ten­sive Produk­tion von Stahl, Zement und Alumi­nium ausge­stoßen.

Bei diesem Prozess entsteht jede Menge klima­schäd­li­ches CO2 , das sich durch den Einsatz rege­ne­ra­tiver Ener­gien deut­lich verrin­gern lässt. „Zwar geht der größere Teil des Gesamt­emis­sionen auf die Zement­produktion selbst zurück, denn der Grund­stoff Kalk­stein enthält Unmengen an CO2 , die in der Verar­bei­tung frei­ge­setzt werden. Doch immerhin verbes­sert dieser Schritt die Klima­bi­lanz schon um ein Viertel. Mit neuen Produk­ti­ons­me­thoden sowie der Abschei­dung und Spei­che­rung der CO2 ‑Prozes­se­mis­sionen lässt sich diese Bilanz auf 0,6 Tonnen CO2 pro Tonne Zement opti­mieren“, sagt Rein­hausen-Spezia­list Rupp.

MEHR DYNAMISCHE NETZRÜCKWIRKUNGEN

Eben­falls enorm ener­gie­in­tensiv und damit klima­schäd­lich bei Abbau und Produk­tion ist Alumi­nium. Zwar wird von dem Leicht­me­tall vergli­chen mit Stahl und Zement nur die geringe Menge von 65 Millionen Tonnen herge­stellt, doch der Ener­gie­ein­satz dafür ist gewaltig: Das aufwendig abge­baute Alumi­ni­um­oxid wird in Aluminium­hütten im Elektrolyse­verfahren zu Alumi­nium redu­ziert, wobei eine Energie von 15,7 Mega­watt­stunde pro Tonne erfor­der­lich ist. Für die jähr­liche Produk­tion von Alumi­nium aus Erz betragen die jähr­li­chen CO2 ‑Emis­sionen insge­samt über 1,3 Milli­arden Tonnen, entspre­chend rund vier Prozent der welt­weiten CO2 ‑Emis­sionen heute.

Einspar­po­ten­ziale bestehen hier vor allem bei den Brennstoff­emissionen durch den Einsatz von Grün­strom für die Elek­tro­lyse und in der Erhö­hung des Anteils an Altme­tall im Stoff­kreis­lauf. Vor allem Letz­teres lohnt sich: Satte 95 Prozent lassen sich damit gegen­über der Verhüt­tung einsparen — immerhin 20 Millionen Tonnen Alumi­nium werden heute schon aus Altme­tall produ­ziert. Was bedeutet diese Entwick­lung nun für die Netze?

„Die Anfor­de­rungen an den Aufbau moderner Netz­in­fra­struk­turen steigen also auch auf Seiten der Indus­trie.“ Thomas Röseler

Im Segment Indus­trie beträgt der Anteil elek­tri­scher Energie am gesamten Ener­gie­ein­satz heute rund 14 Prozent. Nach Prognosen der IRENA (Inter­na­tional Rene­wable Energy Agency) soll dieser Anteil bis zum Jahr 2050 auf über 63 Prozent wachsen. Etwa 40 Prozent davon sollen die Betriebe selbst erzeugen (Solar, Biomasse, Prozess­wärme), den Rest erhalten sie aus den Strom­netzen.

Thomas Röseler, der bei Rein­hausen als Team­leiter Inno­va­tionen und Projekte für eine Reihe an Zukunfts­projekten zur Netz­stabilisierung arbeitet, berichtet: „Ther­mi­sche Kraft­werke mit ihren rotie­renden Gene­ra­toren spielen heute noch eine maßgeb­liche Rolle, wenn es um eine stabile Frequenz- und Span­nungs­qua­lität geht. Sie werden aber in den nächsten zwei Jahr­zehnten massiv redu­ziert und durch vola­tile Einspeiser ersetzt. Gleich­zeitig werden die Netz­rück­wir­kungen durch dyna­mi­sche und unsym­me­tri­sche Belas­tungen zunehmen, wie sie beispiels­weise durch große Verbrau­cher wie Licht­bo­gen­öfen entstehen. Die Anfor­de­rungen an den Aufbau moderner Netz­infrastrukturen steigen also auch auf Seiten der Indus­trie.“

FIRMENNETZE ABSICHERN

Der Wandel bei den Ener­gie­sys­temen auf Verbrau­cher­seite zieht laut Röseler noch weitere Kreise: Klas­si­sche Antriebs­technologien beispiels­weise im Bergbau oder Kompres­sor­an­triebe für Gas­verflüssigungs­anlagen werden bis in einen Leis­tungs­be­reich von 100 Mega­watt durch leis­tungs­elek­tro­ni­sche Systeme ersetzt. Auch wird der Ener­gie­fluss zuneh­mend bidi­rek­tional. Es gibt künftig nicht mehr den einen Gene­rator, sondern eine Viel­zahl dezen­traler Erzeuger, teil­weise bei den Herstel­lungs­be­trieben selbst. „All diese Verän­de­rungen auf Erzeuger- und Verbrau­cher­seite haben Einfluss auf die Spannungs­qualität und die gilt es zu harmo­ni­sieren“, meint der für Inno­va­tionen verant­wort­liche Team­leiter.

Um +450 Prozent soll laut Prognosen der IRENA der Anteil elek­tri­scher Energie am gesamten Ener­gie­ein­satz im Segment Indus­trie steigen: davon 40 Prozent selbst produ­ziert und 60 Prozent aus den Netzen.

Das fange laut Röseler bereits mit der Planung an: Für den Aufbau einer Infra­struktur und den Einsatz der Betriebs­mittel benö­tigten Netz­planer neben Know-how in Versorgungs­strukturen auch ein tiefes Verständnis der Kunden­tech­no­logie. Planer bewegten sich hier im Span­nungs­feld zwischen den Erwar­tungen der Abnehmer, wie beispiels­weise Stahl‑, Zement- oder Alumi­nium- und Kupfer­produzenten und den Anfor­de­rungen der Versorger. „Die Anschluss­bedingungen werden künftig abhängig von der einge­setzten Tech­no­logie beim Verbrau­cher viel Wissen über den Aufbau und die Absi­che­rung der Firmen­netze erfor­dern“, prognos­ti­ziert Röseler.

Sowohl Versor­gungs­pro­zesse als auch Kunden­technologien stellen immer höhere Anfor­de­rungen an Spannungs­qualität und Versorgungs­zuver­lässigkeit. Zum Beispiel gilt es, zuneh­mend auch in indus­tri­ellen Verteil­netzen Blind­leistung zu kompen­sieren und Ober­schwin­gungen zu redu­zieren. Aber auch auf Mittel- und Hochspannungs­ebene werden laut MR-Spezia­list Röseler indi­vi­du­elle Lösungen gebraucht, um beispiels­weise die Netz­stabilität an kriti­schen Netz­knoten zu ver­bessern.

Röseler: „Um Spannungs­einbrüche und Spannungs­schwankungen wie Flicker zu vermeiden oder Blind­leis­tung dyna­misch bereit­zustellen, brau­chen Abnehmer künftig mehr erprobte Systeme zur Blind­leistungskompensation, Filter­kreisanlagen für Ober­schwingungen sowie dyna­mi­sche Blind­leistungs­kompensations­anlagen zur Stabi­li­sie­rung der Netz­span­nung. Da kommt viel auf Produ­zenten und Netz­be­treiber zu.“

REINHAUSEN INSIDE

Lösungen zur Verbes­se­rung der Span­nungs­qua­lität und Blind­leis­tungs­kom­pen­sa­tion sind in den Netzen von morgen zwin­gend erfor­der­lich. Eine zentrale Rolle spielen dabei Filter­kreis­an­lagen für Ober­schwin­gungen sowie dyna­mi­sche Blind­leis­tungs­kom­pen­sa­ti­ons­an­lagen zur Stabi­li­sie­rung der Netz­span­nung.


Die Maschi­nen­fa­brik Rein­hausen verfügt über umfang­rei­ches Know-how in der Projek­tie­rung und Liefe­rung geeig­neter Anlagen, die einer­seits eine reibungs­lose Produk­tion gewähr­leisten und ande­rer­seits zur Erfül­lung der Netz­an­schluss­for­de­rungen beitragen.


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Thomas Röseler:
T.Roeseler@reinhausen.com


Dr. Stephan Rupp:
S.Rupp@reinhausen.com


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