„Ohne Daten ist eine KI wertlos.“

© Petra Homeier / Die Magaziniker & AI

Künst­liche Intel­li­genz ist eine der Schlüs­sel­tech­no­lo­gien, die auch in der Ener­gie­branche mehr und mehr Einzug hält. Roland Götz, Head of Inno­va­tion and Tech­no­logy, erklärt, welchen Beitrag Rein­hausen bereits leistet und welche Chancen sich für Netz­be­treiber aus einer umfas­senden Daten­er­fas­sung und dem Einsatz von KI ergeben.


Künst­liche Intel­li­genz hilft Ärzten bereits bei der Diagnose, Autos können dank ihrer Unter­stüt­zung autonom fahren, und selbst Soft­ware schreibt die KI eigen­ständig. Steuert die KI demnächst auch unsere Strom­netze voll­au­to­ma­tisch?

Das vermut­lich nicht, wir stehen noch am Anfang. Und gerade in der kriti­schen Infra­struktur sind es heute meist immer noch Menschen, welche die letzte Entschei­dung treffen. Das ist auch in der Medizin so. Aber künst­liche Intel­li­genz wird Stück für Stück eine immer größere Rolle spielen, um die zuneh­mende Komple­xität unserer Netze zu beherr­schen. Und sie wird auch bereits in vielen Berei­chen einge­setzt. Bei MR beschäf­tigen wir uns mit maschi­nellem Lernen schon seit 20 Jahren. Ange­fangen hat alles mit unseren Luft­ent­feuch­tern. Da haben wir zum ersten Mal selbst­ler­nende Algo­rithmen zur Rege­lung imple­men­tiert. Nach und nach haben wir unser Sensor­port­folio vervoll­stän­digt und unsere Produkte mit intel­li­genten Algo­rithmen ausge­stattet. Insbe­son­dere unsere Lösungen für die Betriebs­mit­tel­be­wer­tungen werden dank KI immer umfang­rei­cher und präziser. Das Poten­zial ist damit aber noch längst nicht ausge­schöpft.

Wo liegen die größten Poten­ziale von KI-Lösungen?

Mit Blick auf die tech­no­lo­gi­schen Fort­schritte bei Compu­tern und in der Daten­ver­ar­bei­tung scheint es aktuell beson­ders bei den Large Language Models keine Grenzen zu geben. Zeitnah sehe ich die größten Vorteile in der Zustands­be­wer­tung der verschie­denen Assets im Netz und in der Netz­füh­rung. Doch damit KI ihre Vorteile ausspielen kann, braucht sie erstmal jede Menge Daten – ohne Daten ist eine KI wertlos. Eine flächen­de­ckende Daten­er­fas­sung bei Trans­for­ma­toren, Leis­tungs­schal­tern und Kabeln ist daher essen­ziell. Um das möglich zu machen, arbeiten wir daran, die Kosten für die Digi­ta­li­sie­rung zu senken.

Wie möchten Sie die Kosten für die Digi­ta­li­sie­rung der Trans­for­ma­toren senken?

Auch hier hilft uns künst­liche Intel­li­genz. Zu viele Details kann ich aktuell noch nicht verraten, aber wir erproben gerade Algo­rithmen, die aus den Mess­daten einiger weniger Sensoren Rück­schlüsse ziehen und Werte für andere fiktive oder digi­tale Sensoren berechnen. Die Soft­ware kompen­siert sozu­sagen die Funk­tion weiterer Sensoren, indem sie die Mess­daten mit histo­ri­schen Daten und bewer­teten Modellen intel­li­gent kombi­niert. Damit ermög­li­chen wir eine kosten­güns­tige und effi­zi­ente Zustands­be­wer­tung von Trans­for­ma­toren.

Stich­wort effi­zi­en­tere Zustands­be­wer­tung: Lässt sich die heute schon reali­sieren?

ETOS® ist in der Feld­ebene bereits zur Über­wa­chung und Daten­samm­lung am Trans­for­mator im Markt etabliert. Mit der Funk­tion Asset Intel­li­gence und unserer DGA-Inter­pre­ta­tion bieten wir beispiels­weise schon daten- und modell­ba­sierte Lösungen für eine effi­zi­en­tere Zustands­be­wer­tung inklu­sive Hand­lungs­emp­feh­lungen für den Betreiber. Dass sich bald die Trans­for­ma­toren selbst aktiv beim Asset­ma­nager wegen einer zustands­ba­sierten Wartung oder notwen­digen Repa­ratur melden, liegt auf der Hand. Die Meldung kommt dann entweder vom Betriebs­system am Trans­for­mator – wie unserem ETOS® – oder vom digi­talen Zwil­ling im Asset Perfor­mance Manage­ment System wie zum Beispiel TESSA® APM.

Kann KI auch helfen, die Netz­füh­rung zu opti­mieren?

Auf jeden Fall, das ist die Zukunft! Gemeinsam mit einem Partner arbeiten wir bereits an einer solchen Lösung. Die Kombi­na­tion aus einer echt­zeit­fä­higen Zustands­be­wer­tung der verschie­denen Assets für Trans­for­ma­toren, Leis­tungs­schalter und Kabel, verschie­denen histo­ri­schen Daten und beispiels­weise Wetter­pro­gnosen bietet immenses Poten­zial. Eine proak­tive Kühlung von Trans­for­ma­toren, um anste­hende Leis­tungs­peaks oder eine Über­last mit mini­mierter Lebens­dau­er­re­du­zie­rung zu über­stehen, ist nur der Anfang. Zum Teil ist das auch schon Realität, aber in Zukunft wird die KI in der Netz­füh­rung noch eine viel größere Rolle spielen.

„Wir beschäf­tigen uns seit Jahr­zehnten mit Trans­for­ma­toren und ihren Kompo­nenten – dieses Know-how steckt in unseren Algo­rithmen.“

Roland Götz, Head of Inno­va­tion and Tech­no­logy bei MR

Wie stellen Sie sicher, dass die KI sich auch im Bereich der kriti­schen Infra­struktur sicher einsetzen lässt?

Jeder, der ChatGPT nutzt, weiß, dass Antworten auch falsch sein können, weil die KI einfach ein biss­chen hallu­zi­niert. Zwar werden scheinbar plau­sible Ergeb­nisse gelie­fert, faktisch sind sie aber falsch. Das darf es bei unseren KI-Lösungen und Modellen natür­lich nicht geben, die müssen hundert­pro­zentig verläss­lich sein. Für das Anlernen unserer Algo­rithmen nutzen wir nur Daten, die wir selbst in Feld­ver­su­chen erhoben und aufbe­reitet haben oder die uns Netz­be­treiber für diese Zwecke zur Verfü­gung gestellt haben.

Jeder Schritt, vom Labeln der Daten bis zum Plau­si­bi­li­täts­check und der Erpro­bung, wird von unseren eigenen Experten durch­ge­führt. Inzwi­schen beschäf­tigen wir uns seit mehreren Jahr­zehnten mit Trans­for­ma­toren und ihren Kompo­nenten und wissen genau, was wir tun. Dieses Know-how steckt in unseren Algo­rithmen. Dadurch, dass unsere Produkte in der kriti­schen Infra­struktur einge­setzt werden, gelten nach dem neuen EU AI-Act beson­ders strenge Regeln für den Umgang mit Daten und die Anwen­dung künst­li­cher Intel­li­genz im Allge­meinen. Alle bisher bekannten Anfor­de­rungen aus dem EU AI-Act befolgen wir natür­lich zu 100 Prozent.

Was passiert mit den Daten der Kunden?

Ganz einfach: Die bleiben beim Kunden. Sowohl auf der Feld­ebene bei ETOS® als auch im Asset Perfor­mance Manage­ment System mit TESSA® haben weder MR noch Dritte Zugriff auf die Kunden­daten. Um das zu gewähr­leisten, haben wir ein ISMS, ein Infor­ma­ti­ons­si­cher­heits­ma­nage­ment­system, imple­men­tiert, ange­lehnt an die ISO 27001, damit gewähr­leistet ist, dass bei unseren System­lö­sungen schon während der Entwick­lung und natür­lich später im Betrieb der Daten­schutz und die IT-Sicher­heit sicher­ge­stellt sind. Aber natür­lich freuen wir uns immer, wenn wir Daten aus dem realen Netz­be­trieb bekommen. Dadurch werden unsere KI-Lösungen noch besser, und davon profi­tieren dann auch die Kunden. 

4 Beispiele, wie die künst­liche Intel­li­genz Ener­gie­ver­sor­gern helfen kann


1. Opti­mierte Netz­füh­rung

Die stei­gende Komple­xität der Netze macht eine Steue­rung immer schwie­riger. Die KI kann helfen, die Netz­füh­rung zu opti­mieren und in Zukunft auch zu auto­ma­ti­sieren, indem sie sowohl Prognose- als auch die Zustands­daten der Betriebs­mittel mit in die Entschei­dungen einbe­zieht.

2. Selbst­ler­nende
Trans­for­ma­toren

Ein Trans­for­mator, der sich selbst opti­miert? Auch das kann mit KI-basierten Systemen möglich sein. Der Trans­for­mator analy­siert dabei konti­nu­ier­lich Netz­pa­ra­meter und Sensor­daten und kombi­niert sie mit histo­ri­schen Daten. Bei Netz­schwan­kungen kann er dann seine Stufen­schal­tungen proaktiv anpassen, um Schwan­kungen in Echt­zeit auszu­glei­chen.

3. Voraus­schau­ende Wartung

Am besten ist es natür­lich, wenn es erst gar nicht zu einer Störung kommt. So können beim Trans­for­mator, aber auch bei anderen Betriebs­mit­teln KI-gestützte Systeme selbst­ständig die Sensor­daten analy­sieren und auto­ma­tisch melden, dass etwa eine Wartung notwendig ist, noch bevor der Fehler auftritt. Auch Service­ein­sätze könnte die KI selbst­ständig planen und somit die knappen perso­nellen Ressourcen besser einsetzen.

4. Schnelle Fehler­er­ken­nung

Netz­stö­rungen zu loka­li­sieren, ist oft aufwendig und kostet Zeit. Dabei sind jedoch schnelle Eingriffe notwendig, um Versor­gungs­un­ter­bre­chungen zu mini­mieren. Die KI kann dabei helfen, Netz­stö­rungen in Echt­zeit zu analy­sieren und auto­ma­tisch Hand­lungs­emp­feh­lungen für deren Behe­bung zu liefern.

KI made by Rein­hausen


Folgende Produkte und Lösungen mit KI-Tech­no­logie gibt es bereits.

Intel­li­genter Luft­ent­feuchter

Die Luft­ent­feuchter MESSKO® MTRAB® 2.5 über­wa­chen konti­nu­ier­lich den Feuch­te­ge­halt und ein selbst­ler­nender Algo­rithmus erkennt das Atmungs­ver­halten des Trans­for­ma­tors. Er stellt sicher, dass die Rege­ne­ra­tion nur in der Ausat­mungs­phase erfolgt und somit die Feuchte nach außen geführt wird bzw. keine Feuch­tig­keit ins Isolieröl gelangt.

Smartes Stetho­skop

MSENSE® VAM ist ein robustes Mess­system, welches die Schwin­gungen, die während des Schalt­vor­gangs eines Last­stu­fen­schal­ters auftreten, analy­siert. Diese Schwin­gungen werden mithilfe einer dyna­mi­schen und selbst­ler­nenden Grenz­wert­kurve ausge­wertet. MSENSE® VAM ermög­licht dadurch, mecha­ni­sche Unre­gel­mä­ßig­keiten, Zeit­dif­fe­renzen im Schalt­vor­gang oder Anoma­lien im Last­stu­fen­schalter zu erkennen und zu melden.

Blut­bild des Stufen­schal­ters

Im Gegen­satz zu herkömm­li­chen, oft unge­nauen Ansätzen der Ölana­lyse, die auf Gasver­hält­nissen und Grenz­werten basieren, nutzt die MR-Lösung für Stufen­schalter mathe­ma­tisch-statis­ti­sche Algo­rithmen. Neben Gaskon­zen­tra­tionen werden auch Meta­daten wie Typ, Alter und Schalt­häu­fig­keit des Stufen­schal­ters berück­sich­tigt. Kombi­niert mit dem Exper­ten­wissen von MR entsteht so eine verläss­liche Analyse des Isolier­me­diums.

Blut­bild des Trans­for­ma­tors

Wie das Blut beim Menschen Aufschlüsse über den Gesund­heits­zu­stand gibt, ist es beim Trans­for­mator das Öl. Die Online-Ölana­ly­se­ge­räte der MSENSE®-DGA-Reihe prüfen konti­nu­ier­lich Fehler­gase und Feuchte im Isola­ti­ons­me­dium. Mittels KI wird anhand eines Trai­nings­da­ten­satzes die Korre­la­tion zwischen der eigent­li­chen Ziel­größe, dem Sensor­si­gnal und den Stör­ein­flüssen ermit­telt. Der Vorteil: Der Aufbau des Mess­sys­tems ist wesent­lich einfa­cher, kosten­güns­tiger und weniger komplex.

Warn­system für Durch­schläge

Bei welcher Span­nung kommt es poten­ziell zu einem Durch­schlag im Trans­for­mator? Der BDV-Indi­kator in ETOS® über­wacht die Durch­schlags­fes­tig­keit des Isolieröls und warnt, wenn ein Eingreifen erfor­der­lich ist. Die Durch­schlag­span­nung wird haupt­säch­lich durch die rela­tive Feuch­tig­keit im Öl beein­flusst und mittels eines KI-basierten Modell­an­satzes berechnet. Mithilfe in der Soft­ware hinter­legter ölspe­zi­fi­scher Para­meter kann auch die abso­lute Feuchte in ppm (mg/kg) berechnet werden.

Virtu­eller Trafo­doktor

ETOS® Asset Intel­li­gence analy­siert alle Sensor­daten am Leis­tungs­trans­for­mator ganz­heit­lich. Ein Bayes’sches Netz­werk prüft, welche Fehler­muster am besten zu den aufge­tre­tenen und nicht aufge­tre­tenen Warn­mel­dungen passen. Darüber hinaus werden die A‑priori-Wahr­schein­lich­keiten für typi­sche Trans­for­ma­tor­fehler und die Genau­ig­keit der Sensoren berück­sich­tigt. Das System liefert eine Wahr­schein­lich­keits­ab­schät­zung für alle bekannten Trans­for­ma­tor­pro­bleme und unter­stützt Spezia­listen bei einer schnellen und klaren Diagnose.

Intel­li­gentes Flot­ten­ma­nage­ment

Die Asset Manage­ment Soft­ware TESSA® APM unter­stützt bei der Planung von Instand­hal­tungs­maß­nahmen und Inves­ti­tionen. Basis sind die Online-Daten von ETOS®, aber auch Offline-Daten, die etwa bei einer Inspek­tion vor Ort erhoben werden. Die intel­li­gente Soft­ware wertet die Daten aus, erkennt Trends und gibt Hand­lungs­emp­feh­lungen. Auch hierbei hilft die KI.

Inno­va­tives Kabel­mo­ni­to­ring

HiMON® ist ein modu­lares Mess- und Zustands­be­wer­tungs­system, das die Rein­hausen-Tochter HIGHVOLT zur schnellen Loka­li­sie­rung von Kabel­durch­schlägen und Erfas­sung von Teil­ent­la­dungen entwi­ckelt hat. Auch hier kommen intel­li­gente Algo­rithmen zum Einsatz.

Smarte Produk­tion

Nicht nur in den Produkten selbst steckt KI, auch für die Herstel­lung setzt Rein­hausen zuneh­mend auf diese Tech­no­logie. Sie wird als Werk­zeug einge­setzt, um die Prozesse in der Produk­tion zu opti­mieren und die Liefer­zeiten zu verkürzen.


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Haben Sie Fragen zur künst­li­chen Intel­li­genz bei Rein­hausen?
Roland Götz ist für Sie da:
R.Goetz@reinhausen.com


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