Künstliche Intelligenz ist eine der Schlüsseltechnologien, die auch in der Energiebranche mehr und mehr Einzug hält. Roland Götz, Head of Innovation and Technology, erklärt, welchen Beitrag Reinhausen bereits leistet und welche Chancen sich für Netzbetreiber aus einer umfassenden Datenerfassung und dem Einsatz von KI ergeben.
Künstliche Intelligenz hilft Ärzten bereits bei der Diagnose, Autos können dank ihrer Unterstützung autonom fahren, und selbst Software schreibt die KI eigenständig. Steuert die KI demnächst auch unsere Stromnetze vollautomatisch?
Das vermutlich nicht, wir stehen noch am Anfang. Und gerade in der kritischen Infrastruktur sind es heute meist immer noch Menschen, welche die letzte Entscheidung treffen. Das ist auch in der Medizin so. Aber künstliche Intelligenz wird Stück für Stück eine immer größere Rolle spielen, um die zunehmende Komplexität unserer Netze zu beherrschen. Und sie wird auch bereits in vielen Bereichen eingesetzt. Bei MR beschäftigen wir uns mit maschinellem Lernen schon seit 20 Jahren. Angefangen hat alles mit unseren Luftentfeuchtern. Da haben wir zum ersten Mal selbstlernende Algorithmen zur Regelung implementiert. Nach und nach haben wir unser Sensorportfolio vervollständigt und unsere Produkte mit intelligenten Algorithmen ausgestattet. Insbesondere unsere Lösungen für die Betriebsmittelbewertungen werden dank KI immer umfangreicher und präziser. Das Potenzial ist damit aber noch längst nicht ausgeschöpft.
Wo liegen die größten Potenziale von KI-Lösungen?
Mit Blick auf die technologischen Fortschritte bei Computern und in der Datenverarbeitung scheint es aktuell besonders bei den Large Language Models keine Grenzen zu geben. Zeitnah sehe ich die größten Vorteile in der Zustandsbewertung der verschiedenen Assets im Netz und in der Netzführung. Doch damit KI ihre Vorteile ausspielen kann, braucht sie erstmal jede Menge Daten – ohne Daten ist eine KI wertlos. Eine flächendeckende Datenerfassung bei Transformatoren, Leistungsschaltern und Kabeln ist daher essenziell. Um das möglich zu machen, arbeiten wir daran, die Kosten für die Digitalisierung zu senken.

Wie möchten Sie die Kosten für die Digitalisierung der Transformatoren senken?
Auch hier hilft uns künstliche Intelligenz. Zu viele Details kann ich aktuell noch nicht verraten, aber wir erproben gerade Algorithmen, die aus den Messdaten einiger weniger Sensoren Rückschlüsse ziehen und Werte für andere fiktive oder digitale Sensoren berechnen. Die Software kompensiert sozusagen die Funktion weiterer Sensoren, indem sie die Messdaten mit historischen Daten und bewerteten Modellen intelligent kombiniert. Damit ermöglichen wir eine kostengünstige und effiziente Zustandsbewertung von Transformatoren.
Stichwort effizientere Zustandsbewertung: Lässt sich die heute schon realisieren?
ETOS® ist in der Feldebene bereits zur Überwachung und Datensammlung am Transformator im Markt etabliert. Mit der Funktion Asset Intelligence und unserer DGA-Interpretation bieten wir beispielsweise schon daten- und modellbasierte Lösungen für eine effizientere Zustandsbewertung inklusive Handlungsempfehlungen für den Betreiber. Dass sich bald die Transformatoren selbst aktiv beim Assetmanager wegen einer zustandsbasierten Wartung oder notwendigen Reparatur melden, liegt auf der Hand. Die Meldung kommt dann entweder vom Betriebssystem am Transformator – wie unserem ETOS® – oder vom digitalen Zwilling im Asset Performance Management System wie zum Beispiel TESSA® APM.
Kann KI auch helfen, die Netzführung zu optimieren?
Auf jeden Fall, das ist die Zukunft! Gemeinsam mit einem Partner arbeiten wir bereits an einer solchen Lösung. Die Kombination aus einer echtzeitfähigen Zustandsbewertung der verschiedenen Assets für Transformatoren, Leistungsschalter und Kabel, verschiedenen historischen Daten und beispielsweise Wetterprognosen bietet immenses Potenzial. Eine proaktive Kühlung von Transformatoren, um anstehende Leistungspeaks oder eine Überlast mit minimierter Lebensdauerreduzierung zu überstehen, ist nur der Anfang. Zum Teil ist das auch schon Realität, aber in Zukunft wird die KI in der Netzführung noch eine viel größere Rolle spielen.
„Wir beschäftigen uns seit Jahrzehnten mit Transformatoren und ihren Komponenten – dieses Know-how steckt in unseren Algorithmen.“
Roland Götz, Head of Innovation and Technology bei MR
Wie stellen Sie sicher, dass die KI sich auch im Bereich der kritischen Infrastruktur sicher einsetzen lässt?
Jeder, der ChatGPT nutzt, weiß, dass Antworten auch falsch sein können, weil die KI einfach ein bisschen halluziniert. Zwar werden scheinbar plausible Ergebnisse geliefert, faktisch sind sie aber falsch. Das darf es bei unseren KI-Lösungen und Modellen natürlich nicht geben, die müssen hundertprozentig verlässlich sein. Für das Anlernen unserer Algorithmen nutzen wir nur Daten, die wir selbst in Feldversuchen erhoben und aufbereitet haben oder die uns Netzbetreiber für diese Zwecke zur Verfügung gestellt haben.
Jeder Schritt, vom Labeln der Daten bis zum Plausibilitätscheck und der Erprobung, wird von unseren eigenen Experten durchgeführt. Inzwischen beschäftigen wir uns seit mehreren Jahrzehnten mit Transformatoren und ihren Komponenten und wissen genau, was wir tun. Dieses Know-how steckt in unseren Algorithmen. Dadurch, dass unsere Produkte in der kritischen Infrastruktur eingesetzt werden, gelten nach dem neuen EU AI-Act besonders strenge Regeln für den Umgang mit Daten und die Anwendung künstlicher Intelligenz im Allgemeinen. Alle bisher bekannten Anforderungen aus dem EU AI-Act befolgen wir natürlich zu 100 Prozent.
Was passiert mit den Daten der Kunden?
Ganz einfach: Die bleiben beim Kunden. Sowohl auf der Feldebene bei ETOS® als auch im Asset Performance Management System mit TESSA® haben weder MR noch Dritte Zugriff auf die Kundendaten. Um das zu gewährleisten, haben wir ein ISMS, ein Informationssicherheitsmanagementsystem, implementiert, angelehnt an die ISO 27001, damit gewährleistet ist, dass bei unseren Systemlösungen schon während der Entwicklung und natürlich später im Betrieb der Datenschutz und die IT-Sicherheit sichergestellt sind. Aber natürlich freuen wir uns immer, wenn wir Daten aus dem realen Netzbetrieb bekommen. Dadurch werden unsere KI-Lösungen noch besser, und davon profitieren dann auch die Kunden.
4 Beispiele, wie die künstliche Intelligenz Energieversorgern helfen kann




1. Optimierte Netzführung
Die steigende Komplexität der Netze macht eine Steuerung immer schwieriger. Die KI kann helfen, die Netzführung zu optimieren und in Zukunft auch zu automatisieren, indem sie sowohl Prognose- als auch die Zustandsdaten der Betriebsmittel mit in die Entscheidungen einbezieht.
2. Selbstlernende
Transformatoren
Ein Transformator, der sich selbst optimiert? Auch das kann mit KI-basierten Systemen möglich sein. Der Transformator analysiert dabei kontinuierlich Netzparameter und Sensordaten und kombiniert sie mit historischen Daten. Bei Netzschwankungen kann er dann seine Stufenschaltungen proaktiv anpassen, um Schwankungen in Echtzeit auszugleichen.
3. Vorausschauende Wartung
Am besten ist es natürlich, wenn es erst gar nicht zu einer Störung kommt. So können beim Transformator, aber auch bei anderen Betriebsmitteln KI-gestützte Systeme selbstständig die Sensordaten analysieren und automatisch melden, dass etwa eine Wartung notwendig ist, noch bevor der Fehler auftritt. Auch Serviceeinsätze könnte die KI selbstständig planen und somit die knappen personellen Ressourcen besser einsetzen.
4. Schnelle Fehlererkennung
Netzstörungen zu lokalisieren, ist oft aufwendig und kostet Zeit. Dabei sind jedoch schnelle Eingriffe notwendig, um Versorgungsunterbrechungen zu minimieren. Die KI kann dabei helfen, Netzstörungen in Echtzeit zu analysieren und automatisch Handlungsempfehlungen für deren Behebung zu liefern.
KI made by Reinhausen
Folgende Produkte und Lösungen mit KI-Technologie gibt es bereits.
Intelligenter Luftentfeuchter

Die Luftentfeuchter MESSKO® MTRAB® 2.5 überwachen kontinuierlich den Feuchtegehalt und ein selbstlernender Algorithmus erkennt das Atmungsverhalten des Transformators. Er stellt sicher, dass die Regeneration nur in der Ausatmungsphase erfolgt und somit die Feuchte nach außen geführt wird bzw. keine Feuchtigkeit ins Isolieröl gelangt.
Smartes Stethoskop

MSENSE® VAM ist ein robustes Messsystem, welches die Schwingungen, die während des Schaltvorgangs eines Laststufenschalters auftreten, analysiert. Diese Schwingungen werden mithilfe einer dynamischen und selbstlernenden Grenzwertkurve ausgewertet. MSENSE® VAM ermöglicht dadurch, mechanische Unregelmäßigkeiten, Zeitdifferenzen im Schaltvorgang oder Anomalien im Laststufenschalter zu erkennen und zu melden.
Blutbild des Stufenschalters

Im Gegensatz zu herkömmlichen, oft ungenauen Ansätzen der Ölanalyse, die auf Gasverhältnissen und Grenzwerten basieren, nutzt die MR-Lösung für Stufenschalter mathematisch-statistische Algorithmen. Neben Gaskonzentrationen werden auch Metadaten wie Typ, Alter und Schalthäufigkeit des Stufenschalters berücksichtigt. Kombiniert mit dem Expertenwissen von MR entsteht so eine verlässliche Analyse des Isoliermediums.
Blutbild des Transformators

Wie das Blut beim Menschen Aufschlüsse über den Gesundheitszustand gibt, ist es beim Transformator das Öl. Die Online-Ölanalysegeräte der MSENSE®-DGA-Reihe prüfen kontinuierlich Fehlergase und Feuchte im Isolationsmedium. Mittels KI wird anhand eines Trainingsdatensatzes die Korrelation zwischen der eigentlichen Zielgröße, dem Sensorsignal und den Störeinflüssen ermittelt. Der Vorteil: Der Aufbau des Messsystems ist wesentlich einfacher, kostengünstiger und weniger komplex.
Warnsystem für Durchschläge

Bei welcher Spannung kommt es potenziell zu einem Durchschlag im Transformator? Der BDV-Indikator in ETOS® überwacht die Durchschlagsfestigkeit des Isolieröls und warnt, wenn ein Eingreifen erforderlich ist. Die Durchschlagspannung wird hauptsächlich durch die relative Feuchtigkeit im Öl beeinflusst und mittels eines KI-basierten Modellansatzes berechnet. Mithilfe in der Software hinterlegter ölspezifischer Parameter kann auch die absolute Feuchte in ppm (mg/kg) berechnet werden.
Virtueller Trafodoktor

ETOS® Asset Intelligence analysiert alle Sensordaten am Leistungstransformator ganzheitlich. Ein Bayes’sches Netzwerk prüft, welche Fehlermuster am besten zu den aufgetretenen und nicht aufgetretenen Warnmeldungen passen. Darüber hinaus werden die A‑priori-Wahrscheinlichkeiten für typische Transformatorfehler und die Genauigkeit der Sensoren berücksichtigt. Das System liefert eine Wahrscheinlichkeitsabschätzung für alle bekannten Transformatorprobleme und unterstützt Spezialisten bei einer schnellen und klaren Diagnose.
Intelligentes Flottenmanagement

Die Asset Management Software TESSA® APM unterstützt bei der Planung von Instandhaltungsmaßnahmen und Investitionen. Basis sind die Online-Daten von ETOS®, aber auch Offline-Daten, die etwa bei einer Inspektion vor Ort erhoben werden. Die intelligente Software wertet die Daten aus, erkennt Trends und gibt Handlungsempfehlungen. Auch hierbei hilft die KI.
Innovatives Kabelmonitoring

HiMON® ist ein modulares Mess- und Zustandsbewertungssystem, das die Reinhausen-Tochter HIGHVOLT zur schnellen Lokalisierung von Kabeldurchschlägen und Erfassung von Teilentladungen entwickelt hat. Auch hier kommen intelligente Algorithmen zum Einsatz.
Smarte Produktion
Nicht nur in den Produkten selbst steckt KI, auch für die Herstellung setzt Reinhausen zunehmend auf diese Technologie. Sie wird als Werkzeug eingesetzt, um die Prozesse in der Produktion zu optimieren und die Lieferzeiten zu verkürzen.
IHR ANSPRECHPARTNER
Haben Sie Fragen zur künstlichen Intelligenz bei Reinhausen?
Roland Götz ist für Sie da:
R.Goetz@reinhausen.com


