Wer Routine will, ist hier falsch

Was für die meisten nach Stress, Anstren­gung und Gefahr klingt, war für Uwe Seltsam Alltag und Routine: Zehn Jahre hatte er als Service­tech­niker und Störungs­be­ar­beiter die härtesten Einsätze rund um den Globus. Seit vier Jahren leitet er die Abtei­lung Tech­ni­scher Service und ist statt 140 Tagen nur 60 Tage pro Jahr auf Achse.

Als Störungs­be­ar­beiter bei Rein­hausen muss man Einzel­kämpfer und Team­player zugleich sein. Wenn es plötz­lich heißt: Ein Kunde aus Kanada, Südeu­ropa oder Afrika braucht dich – am besten jetzt sofort –, dann weiß man nie genau, was auf einen zukommt. Man muss für alles bereit sein. Das passt zu mir. Es hat mich schon in meiner Jugend immer mehr zum Kampf­sport hinge­zogen als zu Team­sport­arten wie Fußball oder Basket­ball. Seit über 20 Jahren trai­niere ich Ju-Jutsu. Was aber nicht heißt, dass wir Kollegen aus dem Service uns nur alleine durch­schlagen.

Beim Kunden ja, da ist man auf sich gestellt. Wir sind meist eine One-Man-Show, müssen die Situa­tion schnell über­bli­cken, die rich­tigen Schlüsse ziehen und die rich­tigen Entschei­dungen treffen, alle unter­schied­li­chen Inter­essen ausba­lan­cieren, als Experten Rede und Antwort stehen und natür­lich als Mecha­niker fehler­frei arbeiten. Aber zurück in Regens­burg ist man wieder Teil der Rein­hausen-Familie und Spieler in einer starken Mann­schaft. Alle ziehen an einem Strang: Wir wollen die Probleme unserer Kunden lösen. Best­mög­lich. Und schnellst­mög­lich. Unsere Kunden kaufen ja mit den Produkten auch ein Service­ver­spre­chen.

CREMONA/ITALIEN:

Der Privatjet stand schon bereit. Wenn ein Stahl­werk still­steht, zählt jede Minute


Deshalb verstehen wir uns als Feuer­wehr – im über­tra­genen Sinn. Ein bren­nender Trans­for­mator ist meist schon gelöscht, bis wir vor Ort sind. Aber dann müssen wir ran. Wann und wo auf der Welt ein Service­fall eintritt, lässt sich nicht planen. Da hieß es vor einigen Jahren einmal: „Kannst du sofort an den Münchener Flug­hafen fahren? Da wartet schon der Privatjet eines italie­ni­schen Stahl­pro­du­zenten aus Cremona.“ Vier Stunden später war ich schon in der Luft. Wenn ein Stahl­werk still­steht, weil der Trans­for­mator nicht arbeitet, zählt jede Minute. Time is money. Als ich dann kurz vor dem eigent­li­chen Feier­abend ankam, ging die Arbeit erst los. Aufgrund unserer Erfah­rung hatten wir aus den wenigen Infor­ma­tionen, die uns vor Abreise vorlagen, die rich­tigen Schlüsse gezogen: Wir hatten die passenden Ersatz­teile dabei und der Trafo lief wieder.

Zehn Jahre lang war ich nach dem Studium bei Rein­hausen zuerst als Störungs­be­ar­beiter, dann als Grup­pen­leiter durch­schnitt­lich 140 Tage im Jahr für unsere Kunden unter­wegs. Zehn Jahre, in denen ich morgens nicht wusste, in welchem Hotel auf dieser Welt ich am Abend schlafen gehen würde. So ein Leben als Trou­ble­shooter muss man lieben. Wer Routine braucht oder will, der ist hier falsch. Das ist das Erste, was ich heute einem Bewerber sage. Wer abends um sechs wieder bei seiner Familie sein will, wird in diesem Job nicht glück­lich. Wer stän­dige Zeit­ver­schie­bungen, extreme Klima­wechsel, hohen Zeit­druck und gleich­zeitig anspruchs­volle körper­liche Arbeit in oft schmut­ziger und abwei­sender Umge­bung nicht gut wegsteckt, wird in diesem Job leiden.

LUBUMBASHI/KONGO:

Nach knapp 40 Stunden Anreise standen wir dann knöchel­tief im Öl

Um zu zeigen, was ich meine, erzähle ich dann gerne ein Erlebnis: Diesmal ging es inner­halb kurzer Zeit in die Repu­blik Kongo. Ein Tourist muss so eine Reise schon allein aufgrund der Impfungen Wochen im Voraus planen. Wir verspre­chen unseren Kunden, dass wir uns bemühen, im Service­fall inner­halb von 24 Stunden an jedem Ort der Welt zu sein. Nicht immer ist das möglich. Der schnellste Weg führte diesmal per Flug­zeug über Paris, Johan­nes­burg, Nairobi nach Lubum­bashi und dann noch einige Auto­stunden zusammen mit zwei Service­män­nern des brasi­lia­ni­schen Trans­for­ma­to­ren­bauers in das Umspann­werk.

Nach 36 Stunden Reise­zeit hieß es dann erst mal ab in den Trafo. Knöchel­tief im Öl standen wir dann vor einem Problem: Am Last­stu­fen­schalter waren die Schirm­ringe abge­rissen und die Isolie­rungen verletzt worden. Wir haben von Hand Hülsen ange­fer­tigt, diese vernietet und isoliert und konnten so den Schaden noch in der Nacht beheben. Wir haben impro­vi­siert, aber der Trafo ist heute noch so in Betrieb. Nach 48 Stunden auf den Beinen ging es dann in ein Hotel, das nicht unbe­dingt den euro­päi­schen Stan­dards entspricht.

Die Bereit­schaft, solche Einsätze auf sich zu nehmen, wird auch belohnt. Die Branche ist ja doch sehr klein und man trifft Kollegen aus allen Teilen der Welt immer wieder. Da entsteht ein Netz­werk und Freund­schaften rund um den Globus. Von vielen Kunden wird so viel Einsatz auch sehr wert­ge­schätzt. Das persön­liche Dankes­schreiben vom Besitzer des italie­ni­schen Stahl­werks liegt heute noch ganz oben in meiner Schub­lade.


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