The Art of Destruc­tion

Zerstören ist eine Kunst. Nur wenn wir die Belas­tungs­grenzen der einzelnen Kompo­nenten kennen, können wir Last­stu­fen­schalter konstru­ieren, die über Jahr­zehnte zuver­lässig arbeiten. Deshalb zerstören unsere Inge­nieure ganz bewusst kriti­sche Teile im Test-Center in Regens­burg.

MR & the art of destruc­tion.

Motiv­serie von Florian Model

Dieses Nocken­zahnrad hat einen zeit­ge­rafften, mecha­ni­schen Schnell­dau­er­ver­such hinter sich. Bei hoch­dy­na­mi­scher, stoß­ar­tiger Belas­tung wurde es bis an die mecha­ni­sche Versa­gens­grenze geprüft. So lassen sich schon während des Entwick­lungs­pro­zesses eines Stufen­schal­ters Schwach­stellen vorzeitig iden­ti­fi­zieren.

Wähler­schalt­kon­takte müssen über die gesamte Produkt­lebensdauer eine sichere Kontak­tie­rung gewähr­leisten. Um die Bestän­dig­keit zu testen, wurde dieser Kontakt über 1.500.000-mal und bei Tempe­ra­turen von minus 25 bis plus 105 Grad Celsius mecha­nisch geschaltet.

Die Mate­ri­al­probe aus dem Stufen­schal­ter­öl­gefäß für den Last­um­schalter hat in mehreren Stufen bis zu 150 Kilo­volt abbe­kommen ­— so lange, bis sie versagte. Mit diesem Test lässt sich die Güte des Mate­rials bestimmen.

Dieser Schalt­kon­takt aus einer Sinte­rung von Wolfram und Kupfer ist für einen Maxi­mal­strom von 350 Ampere ausge­legt. 50.000-mal wurde an dem Kontakt ein Strom dieser Höhe auf eine Span­nung von 1.500 Volt umge­schaltet, um den Verschleiß zu testen.


Ist das Leben eines Last­stu­fen­schal­ters hart! Er muss bei sengender Wüsten­hitze ebenso zuver­lässig arbeiten wie bei sibi­ri­scher Winter­kälte. Selbst wenn der Blitz einschlägt, darf unsere Strom­ver­sor­gung nicht unter­bro­chen werden. Neben den ganz alltäg­li­chen Härten im Netz­be­trieb gibt es noch zahl­reiche Spezi­al­an­wen­dungen, die den Last­stu­fen­schalter beson­ders fordern. Dazu gehören beispiels­weise die enormen Schalt­zahlen bei einem Ofen­trans­for­mator im Stahl­werk.

Als Hersteller für diese Kompo­nenten hat MR also eine große Verant­wor­tung. Dr. Thomas Strof, Leiter Erpro­bung Produkt­ab­si­che­rung bei MR, erklärt: „Wir müssen garan­tieren, dass unsere Last­stu­fen­schalter in jeder spezi­fi­schen Anwen­dung einen sicheren Betrieb ermög­li­chen.“ Seit 2008 steht ihm und seinem Team dafür ein welt­weit einzig­ar­tiges Test-Center zur Verfü­gung. Es ist das Herz­stück der Forschungs- und Entwick­lungs­ab­tei­lung und eine Art Folter­kammer, in der die Experten die Last­stu­fen­schalter bis aufs Äußerste quälen. „Für Anwen­dungen im normalen Netz­be­trieb müssen wir dabei natür­lich anders testen als für einen Phasen­schieber“, sagt Strof. Nur, wenn jeder Prototyp die speziell auf seine späteren Aufgaben abge­stimmten Qualen über­steht, geht er auch in die Produk­tion.

Einzig­ar­tiges Folter­zen­trum

Das Ziel ist es, Normen wie IEC, IEEE oder JEC nicht nur zu erfüllen, sondern sie zu über­treffen. „Inter­na­tio­nale Normen für Last­stu­fen­schalter verlangen 500.000 Schal­tungen. Für unsere Vaku­um­schalter weisen wir 1,2 Millionen mecha­ni­sche Schaltung­en nach.“ Manchmal greifen Normen aber auch zu kurz oder klam­mern spezi­elle Anwen­dungs­fälle aus. „Wir haben jahr­zehn­te­lange Erfah­rungen im Feld und wissen auch bei Spezi­al­fällen, welche Para­meter zusätz­lich getestet werden müssen, damit ein sicherer Betrieb möglich ist.“

Und dann sind da tech­no­lo­gi­sche Entwick­lungen, für die es keine Norm gibt, weil sie einfach noch zu neu sind. „Diesen Fort­schritt gestalten wir selbst aktiv mit. Aufgrund unserer Erfah­rung und unserer Simu­la­ti­ons­mo­delle können wir Gefahren schon voraus­sehen und dann entspre­chend prüfen“, erklärt Strof. Es gibt also viel zu tun. Das ganze Jahr über drang­sa­lieren deshalb auf 4.800 Quadrat­me­tern voll auto­ma­ti­sierte Test­stände die Schalter mit elek­tri­schen, mecha­ni­schen oder klima­ti­schen Extrem­be­din­gungen. Nirgendwo sonst auf der Welt kann das gesamte Spek­trum der Belas­tungen so umfas­send nach­ge­bildet werden.

HOCHSPANNUNGS­PRÜFUNG

Im Hoch­span­nungs­labor, einer Halle mit den Maßen 20 x 13,5 x 12 Meter, erzeugt ein Span­nungs­im­puls­ge­ne­rator bis zu 1,8 Millionen Volt mit einer Anstiegs­zeit von ledig­lich einer Milli­ons­tel­se­kunde. So können die Last­stu­fen­schalter auf ihre Blitz­taug­lich­keit geprüft werden. Da die Halle voll­ständig mit Metall umhüllt ist, damit kein Funk­si­gnal oder ähnliche Impulse von außen hinein­ge­raten, werden hier auch die Teil­ent­la­dungs­prü­fungen durch­ge­führt.

LEISTUNGS­TESTS

Last­ströme von 6.000 Ampere und Stufen­span­nungen von bis zu 5.000 Volt jagen die Inge­nieure zur Prüfung der elek­tri­schen Leis­tungs­fä­hig­keit in die Stufen­schalter. So quali­fi­zieren sie Merk­male wie Kontakt­ver­schleiß, Schalt­ge­schwin­dig­keit oder Licht­bo­gen­dauer.

TEMPERATUR­TESTS

In den zwei Tempe­ratur-Prüf­kam­mern wird der Einfluss von Kälte und Hitze auf unsere Produkte erprobt. Hier erzeugen wir Tempe­ra­turen von minus 70 Grad Celsius bis plus 130 Grad Celsius. Aber auch die Last­stu­fen­schalter selbst erzeugen Wärme. Dafür gibt es die Erwär­mungs­prü­fungen. Last­strom führt zwin­gend zu einer Erhö­hung der Tempe­ratur im Stufen­schalter, die jedoch bestimmte Grenz­werte nicht über­steigen darf. Wie ein Fieber­ther­mo­meter, aber an mehreren Dutzend Stellen und unter Öl prüfen Ther­mo­ele­mente daher diese Effekte.

KURZZEIT­STROMPRÜFUNGEN

Um gegen einen Kurz­schluss gefeit zu sein, muss ein Stufen­schalter enorme physi­ka­li­sche Belas­tungen aushalten. Hierzu erzeugt die entspre­chende Anlage Strom­am­pli­tuden von bis zu 100.000 Ampere im Labor.

MECHANISCHE PRÜFUNGEN

Ein Stufen­schalter besteht aus jeder Menge mecha­ni­scher Teile wie Getriebe, Gestänge oder Federn. Damit sie auch nach vielen Jahren noch zuver­lässig ihren Dienst verrichten, werden harte Funk­tions- und Belas­tungs­tests durch­ge­führt und wo nötig durch Wieder­ho­lung auch noch statis­tisch abge­si­chert.

TROCKNUNGS­TESTS

Trans­for­ma­toriso­lie­rungen werden heut­zu­tage per Vapour-Phase-Technik getrocknet. Dieses moderne Verfahren ist zwar sehr effektiv, aber auch physi­ka­lisch belas­tend. Um nega­tive Effekte auszu­schließen, wird dieser Trocknungs­prozess im Labor nach­ge­stellt.

Das gesamte Test-Center ist durch­gängig mit modernster Leit­technik ausge­rüstet. Sie steuert alle Vorgänge schnell, fehler­frei und hoch auto­ma­ti­siert. Auftre­tende Störungen werden sofort ange­zeigt. Ein klima­ti­siertes Kali­brier­labor stellt die notwen­dige Genau­ig­keit der Prüf­ge­räte sicher. „Das Test-Center ist von der Deut­schen Akkre­di­tie­rungs­stelle nach der Norm DIN EN ISO/IEC 17025 zerti­fi­ziert. Das bestä­tigt auch offi­ziell unsere extrem hohen Prüf­stan­dards“, betont Strof.

Das Team im Test-Center in Regens­burg kümmert sich um die Prüfung der Last­stu­fen­schalter. (© Bern­hard Huber)

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