Der deutsche Netzbetreiber Amprion benötigt den größten und leistungsfähigsten Phasenschieber der Welt. Damit sich der überhaupt lohnt, braucht es zunächst eine Revolution beim Laststufenschalter.
Die Menschheit will immer mehr Energie auf einmal bewegen und braucht dazu große Hochleistungstransformatoren aller Arten: für Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) quer durch ganze Länder hindurch, für viele industrielle Anwendungen wie Lichtbogenöfen zur Stahlerzeugung oder für variable Shunt-Reaktoren zur Blindleistungskompensation. Bei Amprion geht es um leistungsstarke Phasenschieber-Transformatoren; besser gesagt: um den leistungsfähigsten Phasenschieber aller Zeiten.
Ein Notruf geht ein
Amprion ist einer von vier Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland. Der Auslöser für den Bau des Phasenschieber-Titanen und die bahnbrechenden Entwicklungen drumherum ist ein Notruf: Die Bundesnetzagentur wendet sich vor einigen Jahren an Amprion mit der Vorgabe, so schnell es irgend gehe, High-End-Phasenschieber an überlasteten Netzknoten aufzustellen. Denn eine Studie hat bestätigt, was damals schon viele ahnten: Der Ausbau der Stromnetze in Deutschland hält nicht Schritt mit der zusätzlichen Einspeisung regenerativer Energie.
Reinhard Bradt, verantwortlich für Netzprojekte bei Amprion, wird konkreter: „Das führt dazu, dass zum Beispiel bei der Übertragung von Energie aus Offshore-Windparks vom Norden Deutschlands in die Verbrauchszentren des Südens einzelne Höchstspannungsleitungen überlastet werden.“ Um die Zeit des weiteren Netzausbaus bis 2030 zu überbrücken, sollen ad hoc riesige Phasenschieber helfen, das Netz robust und leistungsfähig zu halten. Damit jedoch nicht teure Notlösungen in der Landschaft stehen, muss diese Investition zwei Bedingungen erfüllen: Sie soll sich innerhalb von drei Jahren amortisieren und nachhaltig sein.
Turbo für den VACUTAP®
Ein Phasenschieber ist wie ein Zweiwegeventil fürs Netz, das bestimmt, ob der Strom von links nach rechts oder von rechts nach links fließt. Mit ihm können Netzbetreiber Leitungen entlasten, ohne dafür in Stromverbrauch oder ‑erzeugung eingreifen zu müssen — denn das kostet saftige Redispatching-Gebühren. Ein Phasenschieber kann die Übertragungsfähigkeit des Netzes insgesamt zwar nicht vergrößern, aber die Belastung im Netz so verschieben, dass es besser ausgenutzt wird, bis der Netzausbau die gesamte Übertragungsfähigkeit des Netzes erhöht.
Ein Meisterstück
Der erste und leistungsstärkste VACUTAP®-Stufenschalter der Welt für Hochleistungsanwendungen.
Das VACUTAP® Advanced Flux Control System gewährleistet die Funktion der Vakuumschaltröhren bei extremen Strömen und starken Magnetfeldern in High-End-Anwendungen.
18 bis 35 Betriebseinstellungen sind mit dem R‑Wähler möglich. Mit dem Active Gas Inhibition System AGIS® lässt sich Gasbildung um 90 Prozent reduzieren.
Die Highlights auf einen Blick:
10.000 kVA Schaltleistung*
Bis zu 4 Meter hoch ist der Rekordschalter*
3.200 Ampere Bemessungsstrom*
6.000 Volt Stufenspannung*
Verdoppeltes Leistungsspektrumfür VACUTAP®-Laststufenschalter:
* Die Zahlen sind abhängig von der Ausführung und geben die jeweils maximal möglichen Werte an.
Amprion beauftragte Siemens Energy mit dem Bau des ersten Mega-Phasenschiebers. Das soll er handhaben: 400 Kilovolt Bemessungsspannung, 2.000 Megavoltampere Durchgangsleistung und 2.992 Ampere Bemessungsstrom. Eines ist aber noch unklar: Wie schaltet man bei solchen Lasten?
Bradt denkt an die zwei Bedingungen — Amortisation in drei Jahren, nachhaltig — und schlussfolgert, dass er dazu wartungsfreie Laststufenschalter braucht, sprich: welche mit Vakuumtechnologie. Blöd nur, dass es die für diese Leistungsklasse überhaupt nicht gibt. „Darum haben wir MR gebeten, einen VACUTAP® dafür zu entwickeln.“ Die Aufforderung trifft MR nicht völlig unvorbereitet: Seit Jahren befindet sich so ein VACUTAP® in der Vorentwicklung. Aber jetzt, wo es plötzlich sehr konkret wird, bündelt MR alle Kräfte und schaltet den Turbo dazu, um den neuen, muskulösen VACUTAP® einsatzreif zu kriegen.
Gute Entwicklung
Die Grenze für den Bemessungsstrom bei der VACUTAP®-Technologie liegt bisher bei 1.300 Ampere ohne erzwungene Stromteilung. Die MR-Ingenieure schrauben sie innerhalb kürzester Zeit auf sagenhafte 3.200 Ampere hoch — und übertreffen damit sogar die bisherige Grenze von 3.000 Ampere für wartungsintensive Öltechnik. Um mit den hohen Strömen und starken Magnetfeldern in den Laststufenschaltern klarzukommen, entwickeln die MR-Leute einen besonderen Kniff: das Advanced Flux Control System.
Schon in den ersten drei Jahren wird aus dem Phasenschieber eine rentable Investition, die dann 50 Jahre wartungsfrei weiterläuft
Jetzt steht dem geplanten Riesen-Phasenschiebertrafo nichts mehr im Wege. Aber wie riesig muss er eigentlich werden? Hier hat MR eine nette Überraschung für Siemens und Amprion parat: Der neue VACUTAP® kommt ohne erzwungene Stromteilung aus. Der Laststufenschalter kann die gesamte Strommenge in einem Sektor tragen und dies hat enorme Folgen für das Trafodesign: Der Hersteller kann sich eine komplizierte und platzfressende Wicklung an den jeweils VW-Bus-großen Spulen sparen.
Siemens konnte dadurch einfacher und kleiner denken. Der Phasenschiebertrafo ist allein durch dieses VACUTAP®-Feature deutlich kleiner als mit erzwungener Stromteilung. Kleiner heißt: weniger Material, leichter, weniger Isolieröl. Mit einem Wort: günstiger.
Und: Er ist leichter zu transportieren. Denn so ein Monsterding kann auf dem Landweg nur per Schiene bewegt werden und dafür gibt es schlicht Begrenzungen, was Gewicht und Ausmaß der Transportgüter betrifft. Mit dem schlanken Riesen ist dies aber kein Problem.
Geld durch Redispatching
Bleibt noch die Frage, wie sich ein solcher Hightech-Brocken innerhalb von gerade einmal drei Jahren amortisieren kann. Die Antwort darauf überrascht: durch gesparte Redispatching-Kosten. Denn im europäischen und vor allem im deutschen Netz gehen viele Maßnahmen (Redispatches) auf Vertragsvereinbarungen zurück, die bestimmen, wer zu welcher Zeit wie viel Strom abnimmt beziehungsweise abgibt.
„Wir erwarten Einsparungen von einhundert Millionen Euro in den nächsten drei Jahren.“
Reinhard Bradt, Leiter Netzprojekte bei Amprion
Diese Vereinbarungen sind auf die Minute genau festgelegt, jede Minute länger oder kürzer kostet enorme Vertragsstrafen. Und Phasenschieber an den richtigen Nahtstellen — meist an Grenzen zwischen Ländern oder Versorgungsgebieten — versetzen Amprion in die Lage, solche vertragsbedingten Maßnahmen mühelos und stets pünktlich durchzuführen. Reinhard Bradt sagt: „Einsatzsimulationen ergaben an einem geeigneten Standort Einsparungen von mehr als einhundert Millionen Euro nach Abzug der Investition der ersten drei Betriebsjahre.“
Die Inbetriebnahme ist für 2023 geplant. Schon in den ersten drei Jahren wird aus dem Phasenschieber eine rentable Investition, die danach 40 bis 50 Jahre wartungsfrei weiterläuft. Bradt ergänzt: „Nach dem ausstehenden Netzausbau bleibt die Nutzung sinnvoll, denn sie hilft, den grenznahen Leistungsfluss im Amprion-Netz zu optimieren.“
REINHAUSEN INSIDE
Der erste Vakuum-Stufenschalter für sämtliche High-End-Anwendungen:
- Hochspannungs-Gleichstrom-Transformatoren (HGÜ) bei langen Stromautobahnen
- Variable Shunt-Reaktoren (VSR) zur Blindleistungskompensation
- Phasenschieber-Transformatoren (PST) zur aktiven Steuerung des Leistungsflusses im Stromnetz
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