Die globale Energiewende erfordert eine sichere, wirtschaftliche und ökologische Stromversorgung. Ermöglicht wird dies durch ein internationales Netzwerk nachhaltig handelnder Unternehmen. MR-Geschäftsführer Dr. Nicolas Maier-Scheubeck berichtet, welchen Beitrag die MR hierzu leistet.
Die Diskussion zu Nachhaltigkeit in Politik, Gesellschaft und Unternehmen hat im zurückliegenden Jahrzehnt deutlich an Dynamik gewonnen. Was bedeutet dies für die MR?
Das Erfordernis einer nachhaltigen Unternehmensführung begegnet uns unter den Schlagworten „Social Development Goals“ (SDG), „Corporate Social Responsibility“ (CSR) sowie „Environmental, Social and Corporate Governance“ (ESG). Als weltweit tätiges Unternehmen müssen wir uns dabei auf unterschiedliche Regularien nationaler Gesetzgeber und politischer Initiativen einstellen.
Unsere Kunden sind mit dem Aufbau und Betrieb einer nachhaltigen Energieinfrastruktur befasst und haben sich daher bereits auf ambitionierte „Net Zero“-Ziele verpflichtet. Entsprechend werden wir bereits heute um Auskunft zu unserer Compliance-Organisation und zu unserem Umgang mit Lieferanten und Versorgungsrisiken gebeten. Letztlich beeinflusst aber auch die mediale Präsenz des Themas Nachhaltigkeit zunehmend das Verhalten von Mitarbeitern und Bewerbern — wer will schon in einem Unternehmen arbeiten, das als nicht nachhaltig gilt?
Unabhängig von diesen Anforderungen bekennen wir uns als generationenübergreifend orientiertes Familienunternehmen zu den „Social Development Goals“ der UN. Konsequenterweise haben wir dies in unsere Unternehmensstrategie eingebettet und erarbeiten aktuell bereits einen ersten Nachhaltigkeitsbericht, obwohl wir erstmals im Jahr 2026 zur Veröffentlichung verpflichtet sind.
Welche Chancen bietet die Dekarbonisierung für das Geschäft der MR?
Als Weltmarktführer sind wir stolz darauf, mit unseren wartungsfreien VACUTAP®-Stufenschaltern in den letzten 25 Jahren den Betrieb von Transformatoren nicht nur sicherer und wirtschaftlicher, sondern vor allem auch umweltfreundlicher gemacht zu haben. Allein die Ersparnis an Isolieröl trägt über den gesamten Lebenszyklus wesentlich zur Schonung natürlicher Ressourcen bei. Auf diese Weise haben wir bereits einen bedeutenden „Scope 3“-Beitrag für unsere Kunden geleistet, als Nachhaltigkeit noch kein globales Thema war. Zwischenzeitlich liegen uns für ausgewählte Produkte aussagekräftige CO2-Bilanzen vor und wir arbeiten daran, standardisierte Bewertungen für unser gesamtes, sehr langlebiges Produktportfolio zu etablieren.
Die vom Klimawandel getriebene Umgestaltung der Versorgungsinfrastruktur erfordert an vielen Stellen neue Antworten. Über die Regelung von Transformatoren hinaus haben die MR und ihre Tochtergesellschaften viel zu bieten — etwa die effiziente Netzanbindung von Windkraftanlagen, die Stabilisierung von Übertragungsnetzen mittels kapazitiver Blindleistung, die Prüfung und das Monitoring von Höchstspannungskabeln, die Steigerung der Belastbarkeit von Ortsnetzen oder die lokale Bereitstellung von Gleichspannungsnetzen.
“Wir legen großen Wert darauf, dass Mitarbeiter ihre Expertise über lange Jahre in der gleichen Funktion vertiefen und verbreitern.”
Dr. Nicolas Maier-Scheubeck, MR-Geschäftsführer
Wie verändern sich in diesem Zusammenhang die betriebsinternen Abläufe?
Durch die schon immer sehr hohen europäischen Umweltstandards haben wir einen guten Überblick über die Emissionen unserer Betriebe. Wir sind kein energieintensives Unternehmen; Abfälle vermeiden wir konsequent und versuchen, sie einer Wiederverwertung zuzuführen. Im Bereich Verpackung und Transport haben wir in den letzten Jahren in erheblichem Maße die CO2-Emissionen reduziert. Insofern gewährleisten die hohe Produktivität und Qualität unserer Abläufe sowie der Einsatz innovativer Prozesstechnologien bereits ein ressourcenschonendes Arbeiten.
Trotzdem wollen und müssen wir uns weiter verbessern. Derzeit arbeiten wir daran, den Gas- und Stromverbrauch insgesamt zu senken und zugleich verstärkt nicht-fossile Energieträger zu nutzen. Das gilt weltweit — zuletzt konnten wir unser Werk in China von der öffentlichen Energieversorgung unabhängig machen. Das neue Werk in Italien ist bereits großflächig mit Photovoltaik ausgestattet, in Dresden wird dies auch bald der Fall sein. Dass die Zahl der Geschäftsreisen und das Arbeiten in Präsenz auf dem Firmengelände stark ab- und die digitale Kommunikation mit Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern entsprechend zugenommen hat, senkt per Saldo ebenfalls die CO2-Last unserer Abläufe.
Wir versuchen uns insofern an der Überwindung logischer Widersprüche, soll doch die von unseren Kunden zu Recht geforderte unterbrechungsfreie Sicherstellung des Betriebs bei gleichzeitiger Senkung der Emissionen und gesteigerter Wirtschaftlichkeit sichergestellt werden. Das ist angesichts eines dynamischen Umfelds aus gesetzlichen Regelungen, geopolitischen Herausforderungen und technologischem Wandel in Summe keine einfache Aufgabe. Neue Produkte wie der ECOTAP® VI bezeugen jedoch bereits heute, wie dies gelingen wird.
Handeln Familienunternehmen wie MR naturgemäß nachhaltiger als an der Börse gelistete Konzerne?
Als 1868 gegründetes mittelständisches Familienunternehmen ist uns enkelfähiges Denken und regelkonformes Handeln tief eingeprägt — anders lässt sich nach unserem Selbstverständnis unternehmerische Unabhängigkeit nicht generationenübergreifend bewahren. Gerade im Sinne einer nachhaltigen Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Lieferanten legen wir großen Wert darauf, dass Mitarbeiter ihre Expertise über lange Jahre in der gleichen Funktion vertiefen und verbreitern. In börsennotierten Unternehmen fehlt dafür mitunter die Geduld oder es ist im Compliance-Sinne sogar unerwünscht. Aus diesem Grund verstehen sich viele Mitarbeiter als Mitglied der MR-Familie und identifizieren sich stark mit unseren Unternehmenszielen. Und dazu zählt natürlich auch die Nachhaltigkeit.
Allerdings darf bei alledem nicht übersehen werden, dass es auch viele börsennotierte Unternehmen schaffen, das Thema Nachhaltigkeit wirksam in der Unternehmenspolitik zu verankern — mit diesen Großunternehmen verbindet uns viel, und wir können in der Zusammenarbeit wechselseitig voneinander profitieren.
“Technologie für die Energiewende muss enkelfähig sein.”
Dr. Nicolas Maier-Scheubeck, MR-Geschäftsführer
Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit vor dem Hintergrund des akuten Personalmangels in der Wirtschaft?
Die MR zählt im Urteil von Mitarbeitern und Bewerbern seit langem zu den attraktivsten Arbeitgebern — nicht zuletzt auch aufgrund unserer viel gelobten Aus- und Weiterbildung. Neben dem langanhaltenden Erfolg, den sicheren Arbeitsplätzen und der familiären Atmosphäre trägt hierzu auch der Unternehmensgegenstand selbst bei. Unsere marktführenden Lösungen zur Regelung von Lastfluss und Spannungsqualität verhelfen einer stetig wachsenden Weltbevölkerung zu attraktiven Lebensverhältnissen, ohne dabei Folgegenerationen zu belasten. Unser „Purpose“ ist nachhaltig, die MR liefert von jeher im bestverstandenen Sinne „Cleantech“. Das erleben unsere Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten gleichermaßen — Enkelfähigkeit und Cleantech ergänzen sich nachhaltig aufs Beste.