Kommu­nale Ener­gie­wende„Crowd-Konzepte bei Batte­rie­spei­chern sind nicht nur eine Option. Sie sind ein Muss!“

Ohne kurz­fris­tige Spei­cher keine Ener­gie­wende: Professor Bruno Burger von Europas größtem Solar­for­schungs­in­stitut erklärt, warum sich die Fach­welt in diesem Punkt einig ist.


Herr Professor Burger, die Ener­gie­wende soll nun zügig voran­gehen. Im „Oster­paket“ der Bundes­re­gie­rung wurde ein Ausbau von Solar- und Wind­energie auf 360 GW bis 2030 beschlossen. Können die Strom­netze diese Menge ohne zusätz­liche Spei­cher­ka­pa­zi­täten über­haupt aufnehmen?

Nein. Wir brau­chen mehr Trans­port­ka­pa­zi­täten von Nord nach Süd und wir brau­chen bis 2030 vor allem jede Menge Batte­rie­spei­cher.

Warum sind Batte­rie­spei­cher so wichtig für die Zukunft der Netze?

Sehen wir uns einmal den Strom­ver­brauch einer durch­schnitt­li­chen Woche im Jahr 2030 an. Da wird deut­lich, dass wir mehr Spei­cher als bisher benö­tigen, denn tags­über ist die Erzeu­gung aufgrund der Solar­ein­spei­sung größer als die Last. Das heißt, wir müssen mittags Strom spei­chern, den wir zum Abend­essen wieder verbrau­chen. Nachts spei­chern wir Wind­strom, der uns zum Früh­stück zur Verfü­gung steht. Die Spei­cher haben somit zwei Zyklen am Tag. Das ist die perfekte Anwen­dung für eine Batterie.

Gibt es keine Alter­na­tiven zu Batte­rie­spei­chern wie beispiel­weise Pump­spei­cher­kraft­werke oder Elek­tro­ly­seure?

Da wir bis 2030 vor allem Kurz­frist­spei­cher benö­tigen, wären Pump­speicher eine Alter­na­tive. Dafür haben wir aber zumin­dest in Deutsch­land keine ausrei­chenden Ressourcen. Es gibt nur noch wenige mögliche Stand­orte für den Neubau. Und selbst wenn wir sie ausbauen, wäre das noch lange nicht ausrei­chend für die Ener­gie­wende.

Wasser­stoff wird erst ab 2030 eine Rolle spielen. Dann haben wir erst nennens­werte Über­schüsse, um in die Produk­tion einzu­steigen. Den grünen Wasser­stoff sollten wir dann aber auch nicht rück­ver­stromen, was wieder Verluste erzeugt, sondern direkt in indus­tri­ellen Prozessen verbrau­chen, um ihn so effi­zient wie möglich zu nutzen. Inso­fern spielen Elek­tro­ly­seure in der Ener­gie­wirt­schaft erst mittel­fristig eine Rolle.

„Bis 2030 benö­tigen wir rund 250 GWh Batte­rie­spei­cher. Stand heute verfügen wir über 4 GWh.“

Von welchen Volu­mina spre­chen wir? Wie groß ist denn der Bedarf an Spei­chern in den Netzen?

Für unsere Prognosen haben wir die Ener­gie­wende bis 2045 im Stun­den­takt simu­liert und daraus den Bedarf an Batte­rie­spei­chern berechnet. Bis 2030 benö­tigen wir rund 250 GWh Batte­rie­spei­cher. Stand heute verfügen wir über 4 GWh. Das sind schon gewal­tige Dimen­sionen, die da auf uns zukommen.

Welche Netz­ebenen sind von diesem Ausbau haupt­säch­lich betroffen?

Das wird auf allen Netz­ebenen statt­finden — vom Netz­booster mit bis zu 250 MW bis zum kleinen PV-Spei­cher im Privat­haus mit 5 kW. Aller­dings haben die Netz­booster eine Sonder­stel­lung. Sie gehören den Über­tra­gungs­netz­be­trei­bern und dürfen daher nach geltender Regu­la­torik nicht am Strom­markt teil­nehmen. Das bedeutet, dass sie nur im Fehler­fall oder bei Netz­eng­pässen zur Vermei­dung von Redis­patch-Maßnahmen genutzt werden. Das ist eigent­lich schade, dass solche riesigen Inves­ti­tionen nur wenige Aufgaben wahr­nehmen dürfen und nicht perma­nent im Einsatz sind. Da wäre es sinn­voller, die Regu­la­torik zu ändern und diese Kapa­zi­täten für den Strom­markt zu öffnen.

Bei erneu­er­baren Kraft­werken gibt es ja schon viele Ansätze. So kann der Betreiber Restrik­tionen seitens des Netz­an­schlusses umgehen. Über Batte­rie­spei­cher kann man mehr Leis­tung instal­lieren und die Erzeu­gungs­kurve besser an die zur Verfü­gung stehenden Netz­ka­pa­zi­täten anpassen. Gekop­pelte Solar- und Wind­parks können mit Batte­rie­spei­chern eine mehr oder weniger verläss­liche Erzeu­gung bieten und sie auch entspre­chend vermarkten.

„Ein wesent­li­cher Teil der Erneu­er­baren wird in die Nieder­span­nung einge­speist.“

Ein Groß­teil der Ener­gie­wende wird sich in den Verteil­netzen abspielen. Wie sieht es da aus?

Ja, die Verteil­netze sind beson­ders betroffen. Bis 2030 will die Bundes­re­gie­rung beispiels­weise Wind­kraft an Land bis 115 GW und Solar bis 215 GW ausbauen. Davon wird sehr viel lokal verstreut sein. Gerade im Süden wird es keine großen Wind­parks geben, sondern einzelne Anlagen, die dann ins Verteil­netz einspeisen. Und Solar ist auch größ­ten­teils auf Dächern zu finden. Das heißt, ein wesent­li­cher Teil der Erneu­er­baren wird in die Nieder­span­nung einge­speist.

Welche Rolle nehmen dann auf dieser Ebene Batte­rie­spei­cher ein?

Privat­haus­halte können mit Batte­rie­spei­chern ihre Solar­strom­erzeu­gung über den Tag in die verbrauchs­in­ten­siven Abend­stunden retten. Statt den Strom für eine geringe Einspei­se­ver­gü­tung einzu­speisen (aktuell liegt sie für Neuan­lagen bei 8,2 Cent/kWh), können sie ihn selbst verbrau­chen und sparen sich zurzeit 30 bis 40 Cent pro kWh Bezugs­kosten.

Energy-Charts


Auf der von Prof. Bruno Burger entwi­ckelten inter­ak­tiven Website können User alle Grafiken zur Strom­pro­duk­tion und zu den Börsen­strom­preisen in allen Ländern Europas frei konfi­gu­rieren. Die Seite speist sich aus einer Viel­zahl von neutralen und stets aktu­ellen Quellen und will einen Beitrag zu mehr Trans­pa­renz und einer Versach­li­chung der Diskus­sion um die Ener­gie­wende leisten.

www.energy-charts.info

Was ist mit den Batte­rien der Elek­tro­autos? Hier ist immer wieder von Crowd-Konzepten die Rede. Halten Sie das für eine realis­ti­sche Option?

Das ist nicht nur eine Option. Das ist ein Muss! Denn wenn wir fluk­tu­ie­rende Erzeu­gung haben, sollten wir die Lasten nach Möglich­keit an die Erzeu­gung anpassen. Es ist immer güns­tiger, Strom direkt zu verbrau­chen, als ihn zu spei­chern und zeit­ver­setzt zu verbrau­chen. Im ersten Schritt ist es deshalb wichtig, dass wir steu­er­bare Lasten haben, die den Strom­ver­brauch erhöhen, wenn viel erneu­er­bare Energie zur Verfü­gung steht. Das heißt zum Beispiel, man geht morgens zur Arbeit und sagt, bis abends soll die Batterie voll sein. Was in der Zwischen­zeit passiert, ob die Ladung aussetzt, mit welcher Leis­tung geladen wird, spielt keine Rolle. Das über­lässt man alles einer Steue­rung.

Schwie­riger sind Konzepte, Batte­rien bidi­rek­tional einzu­binden und diesen Service dem Kunden dann zu vergüten. Da stellt sich die Frage, wer über­nimmt die Steue­rung und Vergü­tung? Haben die Verteil­netz­be­treiber Zugriff auf alle Lade­säulen und Wall­boxen oder machen das doch lieber die Hersteller der Elek­tro­autos?

„Höhere Preise wären ein Anreiz, den Verbrauch besser an die Erzeu­gung anzu­passen. Es spricht also bereits jetzt alles dafür, flächen­de­ckend in Ener­gie­spei­cher zu inves­tieren.“

Werden Auto­mo­bil­her­steller so zu Teil­neh­mern am Strom­markt?

Ja, denn die Hersteller haben bereits Kommu­ni­ka­ti­ons­schnitt­stellen zu ihren Fahr­zeugen und Kunden. Sie stehen in stän­digem Kontakt mit dem Wagen, um beispiels­weise Soft­ware­up­dates aufzu­spielen und Ähnli­ches. Über diese Schnitt­stellen kann man auch die Ladung der Batterie steuern. Der Hersteller, beispiels­weise Volks­wagen, könnte das poolen und so die Ladung der kompletten Flotte nach den Börsen­strom­preisen steuern, sodass die erneu­er­baren Ener­gien optimal genutzt werden. Die Strom­kosten könnte er direkt mit dem Kunden verrechnen. Das ist eine einfa­chere Lösung, als das über die Wallbox zu steuern.

Wer sind denn die Betreiber der Batterie­speicher und wie finan­zieren sie sich?

Die Netz­booster finan­zieren sich über Umlagen auf die Netz­ent­gelte. Ansonsten wird jeder Spei­cher bauen, für den sich das rechnet. Der Privat­mann, weil er Solar­strom für 6 Cent pro kWh produ­ziert und dafür 40 Cent einspart. Für Unter­nehmen ist das eben­falls inter­es­sant. Wenn sie hohe Strom­preise haben und die Eigen­erzeu­gung so spei­chern, dass es besser zum Verbrauch passt, dann ist das schon ein Argu­ment. Wenn ein Unter­nehmen keine eigene Erzeu­gung hat, kann man mit einem Spei­cher Peak-Preise oder Bezugs­leis­tungen senken. Das inter­es­siert auch Kommunen und Stadt­werke. Es gibt immer mehr Anwen­dungs­fälle, in denen sich ein Batte­rie­spei­cher rechnet.

Was steht dem Ausbau mit Batte­rie­spei­chern dann noch im Wege?

Eine wich­tige Frage ist, wie sich die Strom­preis­zonen inner­halb eines Netzes entwi­ckeln. Bis vor vier Jahren hatten wir noch eine gemein­same Strom­preis­zone mit Öster­reich. Das hat dazu geführt, dass Öster­reich seinen Strom dann gekauft hat, wenn die Strom­preise negativ waren. Das war immer dann der Fall, wenn wir im Norden viel Wind hatten. Da die Leitungen von der Nordsee bis Öster­reich aber zu wenig Trans­port­ka­pa­zität hatten, wurde das über Redis­patch gelöst. Das heißt, die Wind­an­lagen im Norden wurden abge­re­gelt und im Süden mussten Gaskraft­werke anlaufen und für Öster­reich Strom zu einem nega­tiven Preis produ­zieren. Jetzt, mit den getrennten Strom­preis­zonen, passiert das nicht mehr. Und dieses Problem haben wir inner­halb Deutsch­lands genauso. Beispiel­weise kann Bayern durch die gemein­same Strom­preis­zone güns­tigen Wind­strom aus dem Norden kaufen, obwohl nicht genü­gend Leitungs­ka­pa­zität zum Trans­port zur Verfü­gung steht. Dann müssen in Bayern Gaskraft­werke starten und diesen Strom produ­zieren. Und die Kosten dafür werden auf die Kunden in ganz Deutsch­land umge­legt.

Mit unter­schied­li­chen Strom­preis­zonen wären in Süddeutsch­land die Strom­preise höher und im Norden nied­riger. Welche Konse­quenzen hätte das?

Die Strom­preise wären wahr­schein­lich saisonal unter­schied­lich, weil wir im Norden mehr Wind­energie und im Süden mehr Solar­energie haben. Höhere Preise wären defi­nitiv ein Anreiz, den Verbrauch besser an die Erzeu­gung anzu­passen und mehr Strom zu spei­chern. Es spricht also bereits jetzt alles dafür, flächen­de­ckend in Ener­gie­spei­cher zu inves­tieren und so den weiteren Ausbau der erneu­er­baren Ener­gien zu unter­stützen.

ZUR PERSON

Prof. Bruno Burger ist Senior Scien­tist an Europas größtem Solar­for­schungs­in­stitut, dem Fraun­hofer ISE, und Schöpfer der Energy Charts.


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