Das Einschalten eines leistungsstarken Transformators ist ein kritischer Moment für das Versorgungsnetz und alle angeschalteten Abnehmer. Zum Glück gibt es zwei Techniken, die den Einschaltstrom wirksam dämpfen.
Das zeitlich ungesteuerte Einschalten von Transformatoren ohne zusätzliche Maßnahmen führt immer wieder zu Problemen, die man sogar fühlen kann: Die Luft vibriert, die Elementarteilchen richten sich aus, ein lautes Brummen ertönt. Für das Versorgernetz, für die angeschlossenen Geräte und für den Transformator selbst ist das Einschalten eine Qual. Steuerungen zeigen Störungen, das Licht flackert, Schutzrelais erzeugen Fehlauslösungen, ganze Prozesse werden durch das Ereignis beeinflusst und können ausfallen. Die Rede ist vom Inrush, auch Rush-Effekt genannt.
ZEHN- BIS 15-FACHER EINSCHALTSTROM
Der Inrush-Stromstoß ist die Folge davon, dass der Eisenkern beim Einschalten in die Sättigung getrieben wird. Der induktive Widerstand geht gegen null. Damit sind nur noch die Wirkwiderstände des Transformators und die Netzimpedanz wirksam und begrenzen den Einschaltstrom. Grund dafür ist die nicht lineare Magnetisierungsimpedanz des Transformators.
Die Höhe des Einschaltstroms ist abhängig vom Schaltzeitpunkt, der Netzimpedanz (Kurzschlussleistung), der Transformatorremanenz (Restmagnetismus) und der angeschlossenen Last. Einschaltströme mit dem zehn- bis 15-fachen des Nennstroms sind keine Seltenheit. Am Transformator angeschlossene Lasten können den Einschaltstrom zwar vermindern, es kommt aber auf die Lasten an. Manche Lasten können den Einschaltstrom sogar deutlich erhöhen, zum Beispiel bei einem angeschlossenen Frequenz umrichter mit Spannungszwischenkreis und netzseitigem Dioden-Umrichter. Hier kommt es beim Einschalten des Transformators ohne Vorladeeinrichtung für den Zwischenkreis auch zur Aufladung der Zwischenkreiskondensatoren. Im Effekt führt das zu einem höheren Einschaltstrom.
GRENZWERTE FÜR ZULÄSSIGE SPANNUNGSEINBRÜCHE
Nach den gültigen Normen gibt es abhängig von der Anschlussnetz ebene und dem Anschlusspunkt unterschiedliche Anforderungen und Empfehlungen bezüglich des zulässigen Spannungseinbruchs im Netz. Gemäß den technischen Regeln zur Beurteilung von Netzrückwirkungen (Deutschland, Österreich, Schweiz, Tschechien) darf der Spannungseinbruch maximal zwei Prozent beziehungsweise drei Prozent abhängig von der Wiederholrate für Mittelspannungsnetze betragen. In den „Technischen Anschlussbedingungen“ — künftig „Technische Anschlussregeln“ genannt — sind relative Spannungsänderungen mit maximal zwei Prozent bis fünf Prozent abhängig von der Wiederholrate für Mittelspannung und 0,5 bis zwei Prozent für Hochspannung zulässig.
NEUE RICHTLINIE VERSCHÄRFT DAS PROBLEM
Die Folgen des Inrushs können verheerend sein: Der Einschaltstrom verursacht einen entsprechenden kurzzeitigen Spannungseinbruch im Netz. Dieser kann bei den parallel angeschlossenen Verbrauchern zu Fehlern führen. Weiterhin ist der Einschaltstrom unsymmetrisch und enthält Oberschwingungen, die zusätzlich die Spannungsqualität verringern. Die Abklingdauer des Inrush-Stroms wächst mit der Baugröße des Transformators und liegt im Bereich von 100 Millisekunden bis zu einigen Minuten. Die neue Ökodesign-Richtlinie macht eine wirksame Bekämpfung des Inrushs sogar noch dringlicher. Denn verlustarme Transformatoren – wie die Richtlinie sie fordert – verfügen über weniger Wirkwiderstände und es entstehen dementsprechend höhere Einschaltströme. Dies macht sie besonders anfällig für den problematischen Rush-Effekt.
ZWEI PRAKTIKABLE MASSNAHMEN
Wie können wir dem Problem begegnen und den Einschaltstrom dämpfen? Die theoretisch naheliegende Herangehensweise, die Phasen gesteuert einzuschalten, scheitert in der Praxis fast immer an zu großem Aufwand oder ist je nach Ausgangslage technisch nicht möglich. Praktischer und effektiver sind zwei andere Maßnahmen. Erstens: kurzzeitiger Serienwiderstand. Hierfür erhöht man den wirksamen Widerstand beim Zuschalten des Transformators, etwa mittels eines Einschaltwiderstands, der den Einschaltstrom deutlich begrenzt. Zweitens: Vormagnetisierung auf der Unterspannungsseite. Die Vormagnetisierungseinrichtung wird an der Sekundär- oder Tertiärwicklung des Transformators angeschlossen und magnetisiert den Transformator vor Zuschaltung. Damit wird der Einschaltstrom deutlich reduziert und liegt im Bereich des Magnetisierungsstroms (rund 0,1 bis 0,5 Prozent vom Nennstrom). Einen Spannungseinbruch gibt es mit dieser Methode praktisch nicht. Die Vormagnetisierung ist allerdings nur bei lastfreien Transformatoren anwendbar.
LÖSUNG AB PLANUNGSPHASE
Am besten ist es, schon in der ersten Planungsphase geeignete Maßnahmen gegen den Inrush zu entwickeln. Die Netzplaner von MR Power Quality führen Netzstudien durch, die die Rückwirkung beim Einschalten des Transformators auf das Netz zeigen – auch für Bestandsnetze. Danach legen die MR-Mitarbeiter die Systeme, Einschaltwiderstände oder Vormagnetisierungseinrichtungen, aus und simulieren sie. Die Ergebnisse teilen sie dem Kunden mit.
Der Fachbereich Power Quality
Der Fachbereich Power Quality (PQ) der MR sorgt seit 20 Jahren mit Filter- und Kompensationsanlagen für saubere Nieder- und Mittelspannungsnetze weltweit. Die Tätigkeitsschwerpunkte sind die Reduzierung von Oberschwingungen und die Kompensation von Blindleistung in öffentlichen und industriellen Verteilungsnetzen.
Nach erfolgter Beauftragung lässt PQ die selbst ausgelegten Komponenten nach MR-Spezifikationen an QS-zertifizierten Fertigungsstandorten produzieren und installiert sie vor Ort. Die Einschaltwiderstände mit integrierten Bypass-Leistungsschaltern beziehungsweise Vormagnetisierungseinrichtungen halten dann beim Einschalten die Einschaltströme in Schach. Die Spezialisten von Power Quality haben weltweit für unterschiedliche Netze die beiden genannten Systeme für Transformatoren mit einem bis 100 Megavoltampere und Nennspannungen zwischen sechs und 230 Kilovolt geliefert und ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt.
IHR ANSPRECHPARTNER
Möchten Sie sich auf den Inrush vorbereiten? Thomas Brückner vom Fachbereich Power Quality ist für Sie da:
t.brueckner@reinhausen.com