Spannend: die Elektrifizierung von Millionen von Schienenkilometern. Genauso spannend: die daraus resultierende Dynamik bei Antriebskonzepten und Traktionstransformatoren in, auf und unter den Zügen.
Die Globalisierung der letzten Jahrzehnte hat zu mehr Wohlstand und Innovationen geführt, aber auch neue Probleme geschaffen: Der Transportsektor alleine ist für etwa ein Viertel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Ein Weg zu nachhaltiger und zukunftsfähiger Mobilität führt über mit grünem Strom betriebenen Schienenverkehr. Immerhin: Allein in Deutschland werden bereits 74 Prozent aller Zugkilometer elektrisch zurückgelegt.
Weit weniger als über die Schienen wird — zumindest öffentlich — über die Loks, Triebwagen und Antriebskonzepte diskutiert. Dabei ist die Frage, wie sich Strom möglichst effizient und ausfallsicher in Bewegung umsetzen lässt, eine mindestens so spannende Frage — und eine, in der Transformator-Hersteller und ‑Entwickler schon lange Enormes leisten.
Kompakte Helden
Ein elektrischer Antrieb in einem bewegten Objekt stellt eigene Anforderungen an die Technik. Das gilt vor allem für die Transformatoren, die den Strom aus der Oberleitung für den Antrieb umwandeln. Zudem hat die Leistung der Transformatoren Auswirkungen auf die Leistung und Sicherheit des gesamten Zuges. Im Gegensatz zu herkömmlichen Transformatoren müssen sie sowohl auf den Einsatz in Bewegung als auch bei unterschiedlichen Luft- und Temperaturverhältnissen hin optimiert und besonders robust sein. Genau wie bei statischen Transformatoren verursacht ein Ausfall im laufenden Betrieb erhebliche Kosten und Probleme.
Ein Transformator macht sich klein
Der globale Markt will flexibel einsetzbare Bahntransformatoren und ebenso flexibel montierbare Komponenten wie die MR Traction Solutions, um mit der Vielzahl an Antrieben kompatibel zu sein. Wer Bahn sagt, denkt zwar oft „Lokomotive mit Elektroantrieb“. Doch so simpel ist es nicht.
Das klassische Konzept mit Traktionstransformator im Hauptraum der Lok dominiert bei den Güterzügen. Im Personenverkehr bilden moderne Züge inzwischen häufig eine Einheit aus Antrieb und Waggons mit dem Ziel, das umbaute Volumen maximal zu nutzen. Daher sind Traktionstransformatoren insbesondere im Nahverkehr sehr oft auf dem Dach zu finden. In Hochgeschwindigkeitszügen dagegen stecken sie oft unter den Waggons. Dort optimieren sie die Gewichtsverteilung bei 250 oder 300 Stundenkilometern.
„In einem Umspannwerk sind Größe und Gewicht des Trafos weitestgehend egal. Auf der Schiene gilt: Je leichter und kleiner, desto besser.“
Tullio Mantoan, Regional Sales Advisory
Für alle Einsätze gilt, dass jedes Kilo zählt, vor allem für die modernen Passagierzugkonzepte. Dort kommt es nicht nur auf die Geschwindigkeit an, sondern auch auf Beschleunigung und Verzögerung, bei denen die bewegte Masse eine gewaltige Rolle spielt. Je leichter ein Zug, umso weniger Zeit braucht er, um in einen Bahnhof hineinzubremsen oder aus ihm herauszubeschleunigen. Das verkürzt Taktzeiten in den Bahnhöfen, die Reisezeit von Stillstand bis Stillstand und natürlich den Energieverbrauch.
Der zweite Faktor neben dem Gewicht ist der Raum. Schon das Raumangebot in einer Güterlok ist begrenzt. Doch im Vergleich dazu ist das, was moderne Nahverkehrs- oder Hochgeschwindigkeitszüge den Traktionstransformatoren abverlangen, radikal: „Auf dem Dach oder zwischen den Rädern ist kaum Platz. Dazu kommt, dass hier um Luftwiderstand und Strömungsoptimierung in Tunneln gerungen wird“, erzählt Tullio Mantoan, Regional Sales Advisory bei Reinhausen. „Darum ist es für beide Anwendungen entscheidend, dass sich die Transformatormodelle in ihrer konkreten Bauweise an das individuelle Zugmodell anpassen lassen. Nur so können die Bahnkonstrukteure den Raum ideal nutzen.“
Mobil vs. stationär
Auch im Innenleben unterscheiden sich Bahntransformatoren von ihren stationären Verwandten. Wo Leistungstransformatoren ein- oder dreiphasig sein können, sind Bahntransformatoren immer einphasige Schalen- oder Kerntransformatoren. Im Gegensatz zu den 50 bis 60 Hz stationärer Transformatoren arbeiten sie außerdem bei einer Frequenz von unter 25 Hz mit Wechselstrom bei einer Scheinleistung von etwa 1.000 bis 2.500 kVA.
Einige Geräte können auch Induktoren (Drosseln) zur zusätzlichen Gleichstromfilterung enthalten, sodass sie alle magnetischen Komponenten in einem einzigen Gehäuse zusammenfassen. Zur Kühlung und Isolierung verwenden sie keine mineralischen Öle, sondern auf Ester oder Silikon basierende Flüssigkeiten, die bei Temperaturen von 100 bis 150 Grad arbeiten. Dabei besitzen sie oft die Möglichkeit einer externen Kühlung. Mantoan erklärt: „Der praktische Grund ist, dass diese Flüssigkeiten weit schwerer entflammbar sind und zugleich weniger Kühlmittel gebraucht wird. Das macht Traktionstransformatoren auch zu Vorreitern beim Einsatz alternativer Isolierflüssigkeiten.“ Diese beginnen aus den gleichen Gründen aktuell auch in anderen Anwendungen zunehmend ihre fossilen Vorgänger abzulösen.
Lesen Sie mehr dazu im Interview mit Rainer Frotscher.
Wüste bis Polarkreis
Was sollte ein Traktionstransformator noch alles können? Feuerresistenz, Stoß- und Vibrationsfestigkeit liegen auf der Hand. Ebenfalls wichtig ist Korrosionsbeständigkeit, vor allem bei den unter oder auf dem Zug montierten Modellen. Und dann ist da das Klima selbst. Da die meisten Traktionstransformatoren außen an der Lok montiert werden, arbeiten sie unter extremen Bedingungen. Deshalb entsteht das Design des Transformatorengehäuses oft Hand in Hand mit den Zugherstellern, um optimal auf die Umgebung, die Lok und ihre Fahrmotoren abgestimmt zu sein. Um diesen hohen und unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden, sind die Reinhausen-Traction-Solutions-Komponenten speziell für diese Verhältnisse optimiert.
„Unsere Komponenten sind speziell für den Bahnbetrieb optimiert und lassen sich einfach in verschiedene Trafo-Gehäuse montieren.“
Tullio Mantoan, Regional Sales Advisory
Die grüne Schiene
Selbst von Dieselloks gezogen, sind Züge effizienter als die entsprechenden Lkw- oder Pkw-Kolonnen. Das gilt für den Energieverbrauch und CO2-Ausstoß, aber auch für Reifenabrieb und Bodenversiegelung. Darum ist die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene mittel- und langfristig entscheidend, um die Klimaziele zu erreichen. Doch das ganz große Potenzial des Schienenverkehrs ist die Möglichkeit, die Antriebe auf langen Strecken direkt und ohne Batterie mit sauberer Antriebsenergie zu versorgen. Deshalb werden auf allen Kontinenten intensive Bestrebungen unternommen und große Investitionen getätigt, um das elektrische Schienennetz zu verbessern und auszubauen.
Die andere Seite ist, Schienen und Bahnen über Landesgrenzen hinweg zu vereinheitlichen, um überall auf der Welt kontinentweite Fernverkehrsnetze aufzubauen. Darauf lag beispielsweise 2021, dem „Jahr der Schiene“, der Fokus der EU, die zusammen mit den asiatischen Märkten zu den größten Investoren in die Schiene von morgen gehört. Denn selbst heute geht in Europa auf Fernreisen viel Zeit verloren, weil an Landesgrenzen Lok- oder gar Zugwechsel stattfinden müssen. Das soll sich jetzt ändern. Beispielsweise wird das Straßennetz über die Alpen durch den Brenner-Basistunnel entlastet. „Das Ziel ist, ab 2030 Personen und Güter in Hochgeschwindigkeitszügen von Italien durch Österreich nach Deutschland zu transportieren“, erzählt Mantoan, der selbst von der Strecke profitieren wird, wenn die Reinhausen-Standorte in Italien und Deutschland dann ein wenig näher zusammenrücken.
Über Länder und Kontinente
Das ambitionierteste Projekt dieser Art ist das chinesische „One Belt, One Road“-Projekt, oft „neue Seidenstraße“ genannt, bei dem der Ausbau der interkontinentalen Schienenverbindungen einen wesentlichen Anteil hat. Afrikanische Staaten wie Uganda, Kenia und Tansania arbeiten daran, alte stillgelegte Gleisstrecken aus der Kolonialzeit neu aufzubauen und so einen zentral- und ostafrikanischen Schienenverbund zu schaffen. Und ein Blick auf den amerikanischen Kontinent zeigt, dass auch dort große Investitionen in den Ausbau des Schienenverkehrs geplant sind.
Auch wenn die Entwicklung hin zu einer klimaverträglichen globalen Mobilität ein enormer Kraftakt ist, stehen die Signale auf grün: Allein der globale Markt für Traction Transformers wird sich voraussichtlich auf einen Wert von ca. 750 Milliarden US-Dollar erhöhen, das sind über vier Prozent Zuwachs seit 2018 (Unife World Rail Market Study). Und diese Ausgaben sind wichtig, um dem hohen Bedarf ansatzweise gerecht werden zu können. Gleichzeitig bedeutet die fortschreitende Umstellung von fossilen Brennstoffen auf elektrische Antriebe einen noch höheren Strombedarf. Weswegen alle Beteiligten mit vereinten Kräften daran arbeiten, alle Komponenten im Antriebsstrang noch sparsamer, effizienter und leichter zu machen.
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