Vier neue Phasenschieber im TenneT-Umspannwerk Würgau nutzen leistungsstarke Laststufenschalter von MR, um die volatilen Lastflüsse erneuerbarer Energien im Stromnetz optimal zu verteilen.
Sonne und Wind schicken keine Rechnung? Von wegen: Fließt immer mehr regenerative Energie in unsere Stromnetze, kommt es wetterbedingt auch zu mehr Leistungsschwankungen. Um Leitungsabschnitte vor Überlastung und Engpässen zu schützen, sind dann teure Redispatch-Maßnahmen nötig, also Eingriffe in die vorausgeplante Erzeugungsleistung von Kraftwerken. Der jeweilige Übertragungsnetzbetreiber hat sie anzufordern. Im Jahr 2021 fielen dafür in Deutschland rund 590 Mio. Euro Kosten an, ermittelte der BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V.). 2020 waren es noch 240 Mio. Euro — ein weiteres Beispiel dafür, dass die Energiewende auch mehr Aufwand für den Um- und Ausbau der Stromnetze bedeutet.
TenneT TSO, einer der vier größten Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland, könnte davon sicher ein Lied singen. Deshalb stellen die Bayreuther die Weichen auf Zukunft und investieren in allen Bereichen. Um besonders belastete Leitungen für die zunehmende Einspeisung von Grünstrom fit zu machen, setzen sie unter anderem auf mächtige Phasenschieber-Transformatoren (PST). Die vier derzeit größten bringen je 940 Tonnen Betriebsgewicht auf die Waage, haben die Ausmaße von Bungalows und stehen im Umspannwerk Würgau im Landkreis Bamberg. Ab Ende 2022 regeln sie zwei wichtige Nord-Süd-Stromkreise in den bayerischen Regionen Ober- und Mittelfranken und helfen, den Windstrom aus dem deutschen Norden in Richtung Süden besser zu verteilen.
Phasenschieber-Transformatoren verschieben die Überlast aus einer Stromleitung so, dass das Netz insgesamt besser genutzt wird. Wie das? Stellt man sich das Übertragungsnetz als Verbund von Wasserleitungen mit vielen Zu- und Abflüssen vor, so sucht sich der Strom ebenso wie Wasser immer den Weg des geringsten Widerstands. Staut sich in einem Stromkreis eingespeiste Energie oder gibt es einen Engpass, können parallel geschaltete Phasenschieber wie Ventile entsprechende Zu- oder Abflüsse davor und dahinter öffnen bzw. regeln, damit der Strom die gewünschte Bahn nimmt.
Wie hilft das der Energiewende?
So lassen sich Lastflüsse im Netz optimal steuern. Das führt zu einer insgesamt höheren Übertragungsleistung im Höchstspannungsnetz, betont Dr. Florian Martin, Head of Asset Technology bei TenneT, und erklärt weiter: „Aufwendige Redispatch-Maßnahmen sind nicht mehr nötig. Mit Blick auf die aktuelle Energiekrise kann dies sogar so weit führen, dass das Netz weiter stabil betrieben werden kann, selbst wenn dafür notwendige Redispatch-Kraftwerke nicht mehr zur Verfügung stehen sollten.“ Ergo braucht es neben weiteren Maßnahmen auch immer mehr und größere Phasenschieber-Trafos, um den volatileren Einspeisern zu begegnen.
Um welche spitzentechnischen Anforderungen es dabei geht, zeigen die Würgauer Phasenschieber. Einer dieser Kolosse besteht aus zweimal zwei Einheiten, sogenannten Serien- und Erregertrafos. Jede Doppeleinheit bringt eine Durchgangsleistung von 1.420 Megavoltampere (MVA) mit, zusammen sind es 2.840 MVA.
Mächtiger Türsteher
Diese enorme Power hat gute Gründe: Der gesamte Lastfluss einer Leitung geht durch den Trafo. In ihm ist es aber der Laststufenschalter, der das Bremsen und Beschleunigen des Lastflusses überhaupt erst zulässt. Er steuert als funktionales PST-Schlüsselelement die hohen Leistungen. Pro Trafobank sind jeweils vier Laststufenschalter in den Würgauer Phasenschiebern verbaut. Die Ansprüche an Leistung und Zuverlässigkeit sind hier extrem.
Deshalb hatte sich TenneT an die Firma gewandt, die den Laststufenschalter erfunden hat und immer weiter optimiert: „Wir haben zusammen mit MR aus deren Portfolio eine kundenspezifische Lösung nach unseren technischen Vorgaben entwickelt, getestet und in Betrieb genommen“, so Florian Martin. Der Transport der fertig geplanten und gebauten PST-Kolosse war die letzte große Hürde vor ihrer Aufstellung und Inbetriebnahme. Im Sommer 2021 brachten acht Schwerlasttransporte die bis zu 326 Tonnen schweren PST-Kessel einzeln in jeweils zwei Tagen via Bahn, Schiff und Straße auf den Würgauer Berg (siehe Infokasten).
FÜR DIE PHASENSCHIEBER VON MORGEN
Zukünftig können Kunden auch auf die jüngste Entwicklung von MR setzen: Der neue VACUTAP® VRL® schaltet bis zu zehn MVA und ist so gut wie wartungsfrei. Zudem ist er Weltrekordhalter: Um Platz zu sparen, hat MR die Leistung auf unglaubliche 3.200 Ampere ausgelegt. Das ist mehr als doppelt so viel, wie der größte Schalter bisher hatte. MR-Geschäftsführer Wilfried Breuer: „Seine außerordentlichen Schaltleistungen auch bei sehr hohen Phasenströmen ermöglichen es, auf eine symmetrische Stromaufteilung in der Regelwicklung zu verzichten. Dadurch reduzieren sich Materialeinsatz, Bauvolumen, Gewicht und auch die Betriebsverluste des Trafos.“
Der VACUTAP® VRL® in Zahlen:
- 3.200 A Maximaler Bemessungsstrom
- 6.000 V Maximale Stufenspannung
- 10.000 kVA Maximale Schaltleistung
Zwei Jahre lang hatte TenneT das 2015 modernisierte Umspannwerk dafür vorbereitet und 70 Mio. Euro allein in die PST-Anlage investiert. Wenn die Trafos in Betrieb gehen, hat das Projekt schon vier Jahre Aufbauzeit hinter sich. Ein Riesenaufwand, der sich aber lohnt. Denn Phasenschieber helfen, die Energiewende zukunftssicher ins Netz zu bringen. „Und durch die Einsparung der Redispatch-Kosten amortisieren sich Phasenschieber-Trafos nach kurzer Zeit, in der Regel bereits nach einem Jahr oder kürzer“, versichert MR-Experte Jürgen Kollmannsberger (siehe Interview).
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