RHONA ist Chiles größter Hersteller von Transformatoren. Mit einem smarten Leistungstransformator für die Netzanbindung eines Windparks steigt das Unternehmen nun in die internationale Liga auf.
I. Das Wagnis
Als Julio Quezada, Chefingenieur bei Chiles größtem Trafohersteller RHONA, erfährt, dass der norwegische Staatskonzern Statkraft in Chile einen 100/133-MVA-Leistungstransformator haben möchte, ist er begeistert. RHONA blickt auf eine 60-jährige Geschichte im Transformatorbau zurück und stattet neben den chilenischen Hochspannungsnetzen mit Standard-Netztransformatoren zum Beispiel auch die Fischerei, den Bergbau und die Holzwirtschaft mit Verteilungs- und Leistungstransformatoren aus – aber die maximale Leistung betrug bis dahin 90 MVA.
Ein Trafo in der Leistungsklasse, wie Statkraft ihn will, wurde in ganz Chile noch nie gebaut – ein spannendes Wagnis. Dafür hat Quezada rund 300 erfahrene Mitarbeiter, viele davon seit mehr als 20 Jahren im Trafobau versiert. Und sein Werk im zentralchilenischen Badeparadies Viña del Mar könnte durchaus auf die nötige Kapazität gebracht werden. „Schließlich war meine Antwort: Ja, wir kriegen das hin. Wir werden es schaffen“, sagt Quezada.
II. Das Projekt
Die Norweger von Statkraft spielen international an der Spitze, wenn es um ambitionierte Projekte für Wasser- und Windkraft geht. In Chile baut der Konzern zurzeit drei Windparks im zugigen Flachland zwischen Pazifik und Anden. Insgesamt wird damit eine Erzeugungsleistung von mehr als 100 Megawatt aus erneuerbaren Quellen ans Netz gehen. Einer der Parks entsteht bei Litueche, etwa anderthalb Autostunden südlich der Hauptstadt Santiago de Chile. Hierfür will Statkraft von RHONA einen State-of-the-Art-Leistungstrafo, der nicht nur zuverlässig läuft, sondern dies auch anhand von Überwachungssystemen stetig nachweist.
III. Der Wettbewerb
Aufträge im Energiesektor werden in Chile allerdings nicht einfach zwischen zwei Firmen geschlossen, sondern die nationale Energiebehörde führt eine weltweite Ausschreibung durch. Quezada erzählt: „Wir haben in Chile eine sehr offene Wirtschaft; es gibt für ausländische Firmen grundsätzlich keine Zölle oder irgendwelche anderen Handelshemmnisse. Darum müssen chilenische Firmen in beidem top sein: Qualität und Preis.“ Quezada ruft seinen langjährigen Zulieferer und Partner MR an, um die Lage zu besprechen. Am anderen Ende der Leitung sitzt MR Area Sales Manager Filipe Madeira in São Paulo. Er ist schnell an Bord und will, dass RHONA hier als Sieger vom Platz geht.
Madeira erinnert sich: „Wir boten an, dass wir RHONA nicht nur beim Stufenschalter, sondern auch mit dem Engineering des Monitoring-Systems inklusive Sensorik und der dazugehörigen Software unterstützen.“ Quezada sagt dazu: „Es war eigentlich klar, dass wir wieder einen MR-Laststufenschalter nehmen werden. Was die Sensortechnik und die Überwachung angeht, haben wir uns auch andere Anbieter angeschaut. Aber letztlich fanden wir es besser, aus einer Hand zu planen, weil die Systeme aufeinander abgestimmt sind.“ Und überraschende Details gab es auch: „Die Software des ETOS®-Systems von MR basiert auf dem Open-Source-Betriebssystem Linux. Da wird keine Lizenzgebühr fällig, und dadurch wird dem Kunden ermöglicht, das Monitoring sehr einfach via Browser durchzuführen. Das gefiel uns!“
IV. Die Entscheidung
Die Pläne und Unterlagen sind eingereicht, der Tag der Vergabe naht, ein Mitbewerber ist noch im Rennen. RHONA kann sowohl preislich als auch mit den eingeplanten Technologien überzeugen. Und punktet zudem mit der räumlichen Nähe zum Windpark, da die Ausschreibung hohen Wert auf schnell verfügbaren Service legt. Die Entscheidung fällt. „Wir haben gewonnen!“, erzählt Quezada. „Natürlich freute ich mich. Doch im nächsten Moment dachte ich: Verdammt, jetzt müssen wir das Ding ja tatsächlich bauen“, lacht er.
V. Das Gerät
Das Ding wird am Ende 140 Tonnen wiegen, einen Wirkungsgrad von 99,65 Prozent aufweisen und leiser als 61 Dezibel arbeiten – und der größte jemals in ganz Chile produzierte Leistungstransformator sein. Doch zuvor muss das Team von RHONA über die Herangehensweise entscheiden. „Wir haben uns dazu entschieden, den Transformator mit einem Glockenkessel zu bauen, anstatt wie üblich einen Anker im Deckel zu verwenden. Das erschien uns beim Endgewicht als die sinnvollste Möglichkeit.“ Quezada lässt sein Werk mit neuen Fertigungsstrukturen ausstatten, um des Riesentrafos Herr zu werden.
Am meisten beschäftigen ihn Fragen der empfindlichen Wicklung und die Dichtigkeit des Trafotanks. „Wird beim Abschlusstest hier auch nur die kleinste Leckage gefunden, wäre das eine Katastrophe. Das war monatelang mein schlimmster Albtraum.“ Im Vergleich dazu war der Teil mit der Überwachung und Datenanbindung ein Spaziergang. RHONA entscheidet sich für das zentrale Steuerungs- und Überwachungssystem ETOS® von MR, das am Ende alle Signale der Trafo-Sensoren analysiert, auswertet und an das RTU (Fernbedienungsterminal) von Statkraft übermittelt.
„Ein Kunde wie Statkraft würde einen Auftrag ohne eine solche High-End-Kontrolle gar nicht vergeben.“
Julio Quezada, Chefingenieur bei RHONA
Ein MSENSE® DGA-Sensor überwacht kontinuierlich die Konzentration von Fehlergasen im Trafoöl und berechnet die primären Frühindikatoren Wasserstoff, Kohlenmonoxid und Feuchte im Isolationsmedium, um rechtzeitig vor elektrischen und thermischen Problemen zu warnen. Die Online-Temperaturmessung über Lichtwellenleiter mittels MSENSE® FO erfasst die Wicklungstemperatur direkt in der Wicklung und in Echtzeit. Betreibern erlaubt das ein dynamisches Lastmanagement. All diese und weitere dynamische Betriebsdaten und Analysen bekommt Statkraft kontinuierlich bequem aufs Browserfenster gespielt. „Ein Kunde wie Statkraft würde einen Auftrag wie diesen ohne eine solche High-End-Kontrolle gar nicht vergeben.“
Ende 2022 ist das Werk vollendet; Chiles größter Leistungstransformator steht nun in einem Umspannwerk im Flachland, bereit, die Leistung des noch im Bau befindlichen Windparks in das Hochspannungsnetz einzuspeisen.
VI. Der Schub
Der Erfolg mit dem Statkraft-Projekt ist nun Quezadas ganzer Stolz. „Wir spielen jetzt in einer anderen Liga. Ich habe das Gefühl, wir haben in RHONAs 60-jähriger Geschichte ein neues Kapitel aufgeschlagen. Mit diesem Schub wollen wir jetzt weitermachen.“ Auch Madeira von MR do Brasil zeigt sich beeindruckt: „RHONA ist zwar immer noch ein international vergleichsweise kleiner Trafohersteller, doch sie haben in kurzer Zeit einen gewaltigen Entwicklungssprung getan.“
Um das Geschäft mit den großen Leistungstransformatoren weiterzutreiben, möchten RHONA und MR ihre Zusammenarbeit weiter ausbauen und die positiven Erfahrungen des Statkraft-Projektes nutzen. Denn die Umstellung auf erneuerbare Energien steigert auch in Chile den Bedarf nach großen Leistungstransformatoren einerseits und deren kontinuierliche Zustandsüberwachung andererseits. Doch RHONA hat nun nicht mehr nur das eigene Land im Blick. Quezada berichtet: „Wir zielen jetzt auch auf den großen US-Markt. Wir wissen, dort übersteigt die Nachfrage aktuell die Produktionskapazität der Hersteller von Hightech-Leistungstransformatoren. Wir trauen uns jetzt zu, hier behilflich zu sein.“
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